Toten-Welt (German Edition)
ihr kleines Lehmhaus. An der Stellung der Tür sah sie, dass er schon drin gewesen war.
„Ein junges Mädchen ganz allein mitten im Wald. In einem solchen Dorf, das seit Jahrzehnten ausgestorben ist und längst verfallen.“
„Mein Haus steht noch, wie Ihr seht. Und meine Mutter starb vor zwei Jahren. Erst seitdem bin ich allein.“
„Du gehörst auf die Burg, wenn du schon nicht in die Stadt willst.“
„Ach ja? Ich denke, Ihr mögt mich da nicht leiden.“
„Ich mag es nicht, wie du dich mir entziehst. Wie du mich ansiehst mit dieser Verachtung im Blick und zugleich... Provokation.“
Er hatte sich im Türstock umgedreht, aber verharrte auf der Schwelle.
„Jetzt bin ich Euch aber in die Falle gegangen, oder? Wollt Ihr das anzeigen mit Eurer Haltung? Warum kommt Ihr nicht herein statt mir nur das Schlupfloch zu versperren?“
„Führe mich nicht in Versuchung, Hexe.“
Sie setzte sich auf ein Bänkchen neben dem Kamin, in dem ein Rest von Kohle in der Asche glimmte.
„Warum seid Ihr nicht verheiratet? Ein respektabler Herr wie Ihr es seid...“
„Warum bist du es nicht? Eine Jungfer, die gerade nicht mehr Kind ist und so aussieht wie du, hat nicht allein zu leben in einer Hütte am Ende der Welt.“
„Vielleicht bin ich längst versprochen.“
„Davon wüsste ich.“
„Wenn ich es nicht bin und Ihr es nicht seid, was hindert uns?“
Sie rückte ein Stück auf den Kamin zu und schuf damit Platz auf dem Bänkchen für einen weiteren Sitzenden. Sanft fuhr sie mit der Hand über die Sitzfläche und klopfte mit den Fingern aufs Holz. Ihre Stimme klang gurrend und lockend, als sie leise ergänzte:
„Deswegen seid Ihr doch gekommen.“
„Das ist so...!“
Er schlug mit der Faust gegen den Türstock. Der eiserne Handschuh, den er trug, knirschte in den Fugen seiner Scharniere.
„Was, Burgvogt? Ihr wolltet mich nehmen mit Gewalt. Eine Jungfer hat sich sanft zu wehren und sich dem Herren dann zu fügen. Sie hat sich nicht anzubieten, richtig? Das irritiert Euch.“
Sie rutschte zurück in die Mitte des Bänkchens und blockierte damit den zweiten Platz.
„Oder hast du einfach nur Angst, ich verhexe dich?“
Sie lachte leise.
Das traute Du war ihm nicht entgangen. Die ungeheure Frechheit, ihm Angst zu unterstellen. Die als Spott getarnte, aber nichts als freimütige Preisgabe ihres Hexenwesens.
Es wäre ihm nun auch egal gewesen, ganz und gar verzaubert zu werden. Und doch verharrte er.
„Was würde der Fürstbischof von Euch denken. Verbieten freilich könnte er es nicht, oder?“
„Willst du es denn? Und würdest du es verraten?“
Seine Stimme zitterte vor Begehren. Er wusste, dass sie es heraushörte. Und das fachte ihn noch mehr an.
„Ich muss tun, was mein Herr mir befiehlt. Und mir gefallen lassen, was er mit mir tut. Was immer er mir antut.“
„Verdammtes Weib. Was zeigst du denn gar keine Angst?“
„So oder so, ich bin Euch ausgeliefert.“
Er sah es nicht, aber er wusste, dass sie lächelte.
„Was würdest du tun? Was würdest du tun?!“
„Das müsst Ihr herausfinden, edler Herr.“
„Wen gibt es noch? Wer ist es?“
„Ihr habt Angst vor einem Rächer? Ihr müsst Euch nicht fürchten. Nicht vor mir, nicht vor einem Nebenbuhler. Und nicht vor höheren Herren als Ihr selbst einer seid.“
„Scheint, du willst es wirklich.“
„Ein Mann der Tat hätte es mir längst gegeben.“
Sie stand auf, bückte sich zur Glut, legte Scheite auf und pustete sanft in den Ofen. Er sah ihre Kehrseite, rund und herzförmig. Er hörte ihren Atem. Er roch ihre Weiblichkeit.
Es gab nichts, das für ihn dagegen sprach. Nicht mal der Zorn des Fürstbischofs. Und doch wusste er, dass er es noch zu bereuen hätte. In jeder erdenklichen Weise und vor allem vor sich selbst.
„Stell dir vor, ein Kindlein von uns beiden. Wie würde es wohl aussehen? Was würde aus ihm werden?“
Er schreckte aus seinen Gedanken, begriff, was sie gesagt hatte, und zog sich einen Schritt zurück.
„Ich muss jetzt aufbrechen. Halte dich bereit. Mir scheint, der Fürstbischof könnte heute wieder nach dir schicken, auch wenn er es eigentlich nie mehr wollte, aber seine Gesundheit ist flüchtig wie Schnee. Du solltest den Hauptmann nicht erneut verärgern, wenn er dich holen kommt. Das war es, was ich dir eigentlich sagen wollte.“
Er verschwand in der Morgendämmerung, noch ehe sie sich umgedreht hatte. Sie hörte sein Pferd davon traben und sah ihm nicht nach.
Bestärke einen Feigling, der
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