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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Begräbnis zu richten. Es gab keinen, dem sein Tod anzuzeigen wäre. Wie sie, so hatte er immer nur im Wald gelebt, viel tiefer drin, wo er Holz gefällt und seine Meiler betrieben hatte. Der Waldfriedhof des lieben alten Dorfes hier war gerade recht für ihn.
     
    Der Fürstbischof litt Höllenqualen.
    Natürlich wusste er, dass sein Leben, verglichen mit dem täglichen Existenzkampf der meisten seiner Untertanen, das reinste Vergnügen war; aber er ließ diese Einsicht nicht einmal jetzt, auf dem Weg in die Stadt, an sich heran, obwohl er unterwegs so manches Gehöft und Feld passierte, auf dem zerlumpte Gestalten im Schweiße ihres Angesichtes für ihn schufteten.
    Aber was waren ihre Qualen gegen seine? Kannten sie etwa die Rückenschmerzen, die ein zu schwerer Bauch verursachte? Kannten sie die Blähungen im Gedärm und den Überdruck einer Verstopfung, die ein üppiges Gelage nach sich zog? Nein, sie futterten ihren leichten Brei und kräftigten ihre Muskeln auf dem Felde, so dass ihr Rückgrat wohl niemals an zu viel Bewegungslosigkeit im Sitzen Schaden nehmen mochte.
    Oder kannten sie etwa die Unbequemlichkeit des Reisens in einer Kutsche? Der beschwerliche Weg von der Burg herunter über enge, abschüssige Holperwege setzte ihm auch auf den gepolsterten Sitzen maßlos zu. Er war vor der Sonne geschützt, aber oh, diese Hitze hier drin, die sich staute und durch die Fensterchen kaum entweichen wollte! Wie luftig mochte es sein, zu Fuß unterwegs zu sein oder auf einem Pferd zu reiten, zumal die Beine des Tieres wohl alle Unebenheiten abfederten, die er hier drin wegen der harten Räder zu ertragen hatte.
    Ach hätte er doch nur ein komfortables Schloss in der Stadt, dann bliebe ihm die beschwerlichen Anreise zu den Sitzungen mit dem immer mächtiger und damit unverschämter werdenden Stadtmagistrat erspart. Und hätte er doch nur Maria an seiner Seite, ständig. Sie würde ihre heilenden Hände auf seinem Rücken liegen haben, genau jetzt, und ihm wohltun durch ihre bloße Anwesenheit. Und sie würde ihn durch mahnende Worte bewahren vor dem Fresskrieg im Rathaus, der ihm nun schon wieder bevorstand. Es graute ihn, sich bis zur Besinnungslosigkeit vollstopfen zu müssen, um sich als guter Gast zu erweisen, und dann in einer Ecke alles in einen Eimer von sich zu geben, um wieder Platz zu schaffen für neue Massen an Ochsenfleisch, Eiern, Brot und Wein.
    Nicht, dass es ihm nicht auch geschmeckt hätte. Und nicht, dass er nicht vor Hunger verginge in diesem Augenblick. Sein Magen röhrte wie ein Hirsch. Den Genuss der ersten Bissen sehnte er herbei. An die Übelkeit nach dem letzten Bissen mochte er nicht denken.
    Mit seinem goldverzierten Stock, ohne den er keinen Schritt machen konnte, pochte er an die vordere Innenwand.
    „Kutscher, wie lange noch?“
    „Er kann Sie nicht hören, Eminenz. Wir nähern uns dem Haupttor.“
    Der Burgvogt, der neben der Kutsche ritt, hatte sich heruntergebeugt und durchs Seitenfenster gesprochen. Seine Augen waren nicht zu sehen, aber seine dicken Lippen.
    Was hatte der überhaupt dabeizusein? Was gingen ihn Unterredungen weit über seinem Stand an?
    Der Fürstbischof seufzte ob dieser Gesellschaft und über sein allgemeines Los und rückte zur anderen Seite, um die Torabfertigung nicht zu verpassen. Wenn er nun schon diese Rolle zu spielen hatte, die Gott ihm auferlegte, dann mochte er sich wenigstens kein noch so geringes Maß an Huldigung entgehen lassen, das ihm in seiner Funktion zustand. Der zackige Gruß der Torwachen tat ihm immer wieder gut und rüstete ihn für die kaum noch versteckt vorgebrachte Respektlosigkeit der Stadtherren.
    Es war ihm eben gelungen, seinen allergnädigsten Blick aufzusetzen, mit dem er den Torwachengruß zu beantworten gedachte, da vernahm er einen hart und laut gesprochenen Befehl. Das klappernde Hufgetrappel seiner Pferde verstummte abrupt, und die Kutsche kam ruckend zum Stehen.
    Welch ungeheuerlicher Vorgang! Der Fürstbischof am Stadttor gestoppt wie gewöhnliches Fußvolk!
    Die Kutschentür wurde von außen aufgerissen, ein Helm und ein zerzauster Bart erschienen und die Spitze einer Hellebarde. Der Fürstbischof begann vor Schreck zu zittern. Am liebsten hätte er nach dem Burgvogt gerufen, aber der hatte in der Stadt nichts zu sagen, war auch nicht sein Untergebener, schon gar nicht hier, und hätte nur triumphiert und sich mehr Bedeutung angemaßt als ihm zustand.
    „Aussteigen!“, befahl die krausbärtige

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