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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Stadtwache.
    „Aber...“
    „Weg da mit dir!“
    Während der Kutscheninsasse noch um Worte rang, war der Burgvogt von hinten herangeritten und drängte den Wachmann vom Kutscheneingang fort. Die Tür wurde zugeschlagen. Dass der Wagen bereits wieder rollte, begriff der Fürstbischof mit Verspätung. Man hatte ihn gedemütigt, und das zweifach. Wie nur konnte er dem Burgvogt künftig mit der nötigen Härte und Distanz begegnen, nachdem der ihn hier ungefragt aus einer Notlage gerettet hatte?
    Die Wachen waren schuld!
    Seine Leibwachen, die in je drei Zweiergruppen vor und hinter der Kutsche ritten und vom Hauptmann angeführt wurden, hätten diese Schmach niemals zulassen dürfen. Der Burgvogt hatte sich die Rolle des Hauptmanns angemaßt, und der hatte es schweigend geduldet. Der Bruch dieser unveränderlichen Ordnung war durch nichts zu erklären noch je zu entschuldigen. Letztlich konnte es nur eine Erklärung geben. Und die Konsequenz dieser Erklärung ließ den Fürstbischof noch stärker zittern. Wenn es zutraf, was er befürchtete, dann ging es um die Unversehrtheit seines kleinen Reiches.
     
    Maria hatte sich leicht getan mit dem Grab. Sie hatte eine der 13 Gruben gewählt, die seit Jahren ausgehoben, vom Regen zwar mit Schwemmerde angefüllt, aber mit ein paar Schaufelstichen wieder zu öffnen waren.
    Auch Holzkreuze waren auf Vorrat vorhanden. Sie waren gezimmert worden, als die Pest im Dorf gewütet hatte. Zu Bestattungen war es nicht mehr gekommen. Auf Anordnung des Fürstbischofs hatte man direkt neben dem Friedhof einen Scheiterhaufen angelegt und die Pestleichen zu Asche verbrannt. Auch ein paar Erkrankte, die noch lebten, waren dem Feuer anvertraut worden. Die Schreie klangen Maria bis heute in den Ohren. Der Brandfleck in der Größe einer Gartenfläche war noch zu sehen, nur zaghaft wagten sich Gräser, Brennnesseln und Birken vom Rand her zur Mitte hin an die verkohlte und leichengetränkte Erde heran.
    Sie legte die Schaufel beiseite und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Vielleicht war sie etwas zu vorschnell gewesen mit dem Grab. Denn sie war ratlos, wie sie es schaffen sollte, einen Körper, der wohl doppelt so schwer war wie ihrer, durch den Wald zu schleifen und ihn auf würdevolle Weise in die Grube zu betten.
    Was, wenn sie ihn einfach im Wald liegen ließ und mit Erde bedeckte? Ein Kreuz zu seinen Ehren konnte sie auch dort errichten. Blieb nur die Frage der geweihten Erde.
    Kurzerhand steckte sie sich eine Handvoll Friedhofsboden in eine ihrer Taschen, hob die Schaufel auf und wollte sich auf den Weg machen.
    „Ist das mein Grab?“
    Die Stimme kam von direkt hinter ihr. Sie zuckte zusammen, denn bisher hatte es niemand geschafft, sich in ihrem Dorf derart nah an sie heranzuschleichen. Da sie immer allein war und alle Geräusche kannte, die hier vorkamen, wirkte jeder fremde Laut von Weitem alarmierend.
    Sie erschrak aber vor allem deshalb, weil sie die Stimme sofort erkannte.
    „Ich glaube, ich werde es nicht brauchen.“
    Vor ihr stand der Köhler. Die Blutflecken auf seinem Gesicht und seiner Kleidung waren getrocknet. Sein schmerzverzerrtes Gesicht hatte sich geglättet und wirkte seltsam entrückt und erlöst. Als sei er von allem befreit, was ihn überhaupt je betroffen hatte.
    „Zeig mir deine Brust.“
    Allein, dass er auf seinen Beinen stand, ohne zu schwanken und zu taumeln, war unheimlich genug. Aber atmen, wie sollte das gehen? Sie hatte selbst ertastet, wie zertrümmert das war, was einer tätigen Lunge bei unverletzten Menschen als Gefäß diente.
    Er schlug seinen Umhang beiseite und zog das Wams hoch. Seine Wunden waren vernarbt. Die Rippen unter der Haut verliefen unregelmäßig und wulstig, aber schienen mit dem Brustbein zu einem geschlossenen Ganzen verbunden.
    Sie sah ihn an mit einer Mischung aus Staunen, Ehrfurcht und Entsetzen.
    „Du sagst es doch niemandem, oder?“, fragte er, aber es klang wie ein Befehl.
    „Was?“
    „Ich weiß, dass du gut stehst mit dem Nachrichter, aber das hier würde er uns beiden übelst vergelten.“
    „Hast du Schmerzen?“
    Er stutzte, lauschte in sich hinein und schüttelte den Kopf.
    „Heb was auf, da, den Brocken.“
    Sie deutete auf einen umgestürzten Grabstein.
    „Niemand weiß was von meinem Missgeschick. Wenn du nichts sagst...“
    „Was musst du da so beharren? Sehe ich aus wie ein Tratschweib?“
    Er bückte sich, da sie mit ihren Blicken beständig auf den Boden zeigte, hob den Grabstein mit

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