Toten-Welt (German Edition)
Kleinen. Irgendwo musste es ein Plätzchen geben, an dem sie Ruhe hatten und Familie würden sein können. Irgendwas musste es zu tun geben, von dem sie ein Auskommen hatten, und es sollte nichts sein, was Tote erweckte. Hermann war kein Medikus, und sie war keine Heilerin. Noch wusste sie nicht, was sie war und was er war.
Hätte sie es zu diesem Zeitpunkt geahnt und alles, was ihr von nun an dicht gedrängt bevorstand, sie hätte versucht, ein sofortiges Ende zu machen.
Doch dafür war es ohnehin längst zu spät.
„Der Bösewicht, der sieben Mütter samt ihrer sieben Kindlein zu Tode gebracht hat und vielleicht noch mehr, zwei Tage lang soll er dafür büßen. Zehn Riemen soll man aus ihm schneiden und mit glühenden Zangen viermal ihn reißen. 40 Stöße mit dem Rad und keine Gnad. Darauf geflochten werden soll er und liegen gelassen bis von selbst er die üble Seele aushaucht. Dem anderen soll man ein Messing-Rösslein heiß machen und ihn darauf reiten lassen. Zwei Weiber hat er gerissen vor aller Augen und sie der Tobsucht anheim gemacht, dass sie selbst nun um sich beißen vor Gram und Schmerzen, dass man sie ans Lager fesseln muss. Heißes Blei soll er dafür auf die Sohlen bekommen und im Käfig in der Sonne schmoren, bis nach zwei Tagen man ihn entzwei wird sägen vom After hin zum Hals, den Kopf nach unten gehängt, damit keine Ohnmacht ihn kann vor der Strafe zu zeitig retten. So ist’s entschieden und gerecht, und so wird darüber der Stab gebrochen.“
Kaum hatte der Richter die Strafe öffentlich verlesen, warf man den in schwere Ketten geschmiedeten Lorenz Bernkaller auf den Boden des Richtplatzes und verhakte den Halsring mit einem Pflock am Boden. Die erste Tortur des anderen Missetäters sollte er miterleben, aber nicht aufstehen noch sich rühren können. Im Maul hatte man ihm eine Garotte so weit aufgedreht, dass er nicht ersticken, aber nicht mehr um sich beißen konnte, was ihm in seinen Ketten ohnehin nicht gelungen wäre, aber der Kerl war stark und wendig wie ein Katzenvieh.
Vier der stärksten Stadtwachen hatte es letztlich bedurft, ihn in den Kerker zu zwingen und im die Ketten anzulegen. Kein Wort hatte er von sich gegeben, bloß gestöhnt und gebrüllt, gewittert und das Maul zum Beißen aufgerissen. Wie ein tollwütiger Hund schien er bloß aufs Zuschnappen aus und nicht gewahr, was ihm bevorstand. Und das machte die tausend und mehr Leut aus Stadt- und Landvolk, das sich um die Richtstätte drängte, wütend bis dorthinaus, weil die Angst vor der Leibstrafe doch zum wichtigsten Teil der Bestrafung gehörte.
Um so mehr zitterte zum Glück das andere Bürschchen, als man ihm jetzt das Hemd vom Leib riss und ihm das Riemenschneidmesser und die glühenden Zangen zeigte. Man zwang ihn auf einen Pflock zu sitzen, und zwei Mann mussten seinen Kopf halten, dass er sich nicht ständig umdrehe und wegzucke vor der Strafe, die am Rücken beginnen sollte. Der stemmte sich nicht gegen die Scharfrichtergesellen aus Raserei, sondern aus scheußlicher Angst heraus, was das Volk vergnügte und ein erstes bisschen mit den Verbrechen versöhnte. Begierig warteten Weiber und Männer und Kinder auf den ersten Schnitt.
Maria hatte schon gewusst, dass was nicht stimmte, als sie durchs Untere Tor laufen wollte und der Torwächter sie nicht gelassen hatte. Die Stadt, das sah sie durch den Spalt, der offen stand, war wie ausgestorben.
„Was ist denn mit dem Kindsmörder? Wird ihm denn gar nicht am Marktplatz der Kopf abgehauen?“
„Geh zum Richtplatz, Weib, wo alle sind. In die Stadt kommt kein Fremder rein, so lang die Häuser unbevölkert sind.“
Man sah ihm an, wie sehr es ihn ärgerte, nicht dabei zu sein. Einer musste ja wachen, aber warum musste er das sein bei einem solchen Spektakel, wie man es alle Jahr nur bekam?
„Wird er denn nun doch noch aufgehängt? Was hat das Urteil geändert?“
„Was weiß denn ich. Geh jetzt, oder soll ich dir das Angstloch zeigen?“
Maria drehte sich rasch um und lief über die Bretter der Zugbrücke. Ohne Enthauptung kein Blut, zumindest keins in Strömen, und ohne Blut kein Grund, auf ein Gespräch mit Hermann zu bestehen.
Sie umrundete die Stadtmauer am Graben entlang und hörte nun schon, da sie sich dem Spitaltor näherte, das beständige Brausen und gelegentliche Auf und Nieder einer großen Volksmasse. Dann war es kein Erhängen. Eigentlich auch nicht verwunderlich. Dass ein solcher Verbrecher vorm Rad geschont würde, hatte längst
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