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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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mit ihnen zu tun hatte oder nichts Direktes. Er hatte in der Ferne am Galgenberg Vorgänge wahrgenommen, die auf eine Mehrfach-Hinrichtung unter großem Volksaufzug deuteten. Natürlich wusste er von dem Kindsmörder, der seiner Enthauptung entgegensah und wohl im Spitalturm schmachtete.
    Enthauptungen aber wurden auf dem Marktplatz vorgenommen. Den Galgenberg nutzte man, wenn mehrere besonders verachtenswerte Verbrecher unter lang andauernder Tortur zu Tode gebracht werden sollten, wenn man viel Landvolk als Gaffer erwartete und vorhatte, die Leichen bis zur völligen Verwesung zur Schau zu stellen.
    Die unnatürliche Haltung, in der er nun schon seit Stunden steckte, bereitete dem Burgvogt über rasende Rückenschmerzen hinaus erste Krämpfe in allen Gliedern. Er hätte nie gemeint, diese Folter, die er an so manchem Gefangenen schon mit Grausen beobachtet hatte, jemals selbst durchleiden zu müssen.
    Der Matsch aus Eiern und Äpfeln, der ihm durch den Stoff gedrungen war, und die Beulen, die er von den Steinen davongetragen hatte, das alles zerjuckte ihm den Leib, und er begann, an seinen Händen zu zerren, die auf Höhe seiner Füße in den Stock gezwängt waren, obwohl er ja genau wusste, dass er sie niemals frei bekommen würde. So zerscheuerte er seine Handgelenke, was die Summe seiner Qualen unerträglich werden ließ.
    Das Schlimmste aber war die Notdurft. Noch konnte er sie mit Mühe zurückhalten, denn er wusste ja nicht, ob man ihn Stunden oder Tage hier festhalten würde. So lange es nur möglich war wollte er sich diese Demütigung ersparen.
    Der Fürstbischof!
    Irgendwie musste das, was hier passierte, mit irgendwelchen Wahnsinnstaten dieses fettwanstigen Schwachkopfs in Zusammenhang stehen. Der Holzeinschlag konnte es nicht sein, denn wenn die Stadtleute nicht völlig vernagelt waren, hätten sie dieses letzte Ausleben von Trotz bei diesem hochnoteitlen Manne erwarten müssen.
    Was also hatte er hinter seinem, des Burgvogts Rücken, noch getan, für das man ihn selbst nun so strafte? War er inzwischen gar dahingeschieden? Verfolgte der Bürgermeister ganz andere Pläne, in die man nie vorgehabt hatte irgend jemanden von der Burg einzuweihen?
    „Wache!“
    Er brüllte nicht zum ersten Mal und erwartete auch diesmal keine Reaktion, aber das eigene Gebrüll lenkte ein bisschen ab von allem anderen, was ihm hier in völliger Schwärze und Kälte zusetzte.
     
    Maria hatte sich eine ganze Weile ums Kloster herumgedrückt in der Hoffnung, Hermann zu sehen oder die Seuchen-Meldung als Lüge zu durchschauen. Aber warum hätte man eine solche Mär in die Welt setzen sollen? Tatsächlich waren die Klostertore verschlossen, die Anlage war wie aufgegeben. Sie fand keinen Schlupf hinein und traute sich nicht zu rufen. Und sie hatte ja nichts für ihn, das sie als Grund vorschieben konnte, ihre Anwesenheit dringend und einen Kontakt unvermeidlich zu machen.
    Deshalb beschloss sie eben, da es ohnehin Zeit war, sich in die Stadt zu begeben und das von Hermann als heilsam erachtete Mörderblut zu besorgen. Das Dorf wollte sie meiden, tat es doch nicht und erlebte die Überraschung, es verwaist wie eh zu finden. Nicht nur, dass niemand mehr hier war, es ließ sich außer niedergetrampeltem Kraut keine Spur erkennen, dass hier je eine Wiedergänger-Meute gehaust hatte.
    Sie vermochte nicht einzuschätzen, ob das ein gutes Zeichen war, aber ihre Stimmung stieg, und sie fasste wieder Hoffnung. Wenn das Wiedergängertum ein vorübergehender Spuk war, dann vielleicht auch diese geheimnisvolle Kloster-Krankheit.
    Wieder träumte sie vom Davonwandern auf ihrem Weg in die Stadt. Von den gewohnten Pfaden abzweigen und raus in die Welt. Neues sehen und lernen. Sie fragte sich selbst, weswegen sie so dachte, da sie ihre Wälder und ihr Dorf nie flüchtenswert gefunden hatte. Die Idee, woanders glücklicher zu werden, verband sich mit Hermann und lange Zeit allein mit ihm.
    Erst seit kurzem wurde der Wunsch, durchs Heilige Römische Reich zu ziehen und eine neue Heimat zu finden, auch davon verstärkt, was sich in ihrem Körper veränderte. Sie wusste, dass etwas in ihr angekommen war und dass nun etwas geschehen und wirklich sich ändern musste. Ein Kindlein konnte sie nicht aufziehen in ihrer Einsamkeit im Dorf mit einem Mann, der keiner sein durfte, da er den Entsagungseid geleistet hatte.
    Auch auf ständiger Wanderschaft, wie bisher von einem Leidenslager zum nächsten, wollte sie nimmer sein, nicht auf Dauer mit dem

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