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Totenblick: Thriller (German Edition)

Totenblick: Thriller (German Edition)

Titel: Totenblick: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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genügt.«
    »Eigentlich mag er lieber Wein.«
    »Dafür ist es in 0,75-Liter-Flaschen.« Wolke kam zu seinem Freund. Er trug sein Reiseoutfit: knitterfreie schwarze Stoffhosen, hellgelbes Hemd und ein schwarzes Sportsakko darüber. Alles war wieder unter Kontrolle: Kleidung, Frisur, Gefühle. »Ich muss jetzt dringend los, Herbie. Der russische Konsul wartet auf mich.«
    »Hast du Lust, mit uns zu Abend zu essen, bevor du abhaust? Anatevka macht wundervolle Piroggen.«
    »Nein, sorry, danach düse ich auf Stimmenfang nach Hamburg.«
    Tzschaschel wunderte sich nicht darüber, dass sein Freund Georg schon wieder seinen Geschäften nachging. Der Verlust seines Sohnes hatte ihn mehr beleidigt als getroffen: Der Plan, den er sich für seinen Spross zurechtgelegt hatte, konnte nicht mehr umgesetzt werden. Er hatte allen möglichen Leuten auf den Füßen gestanden, und nun gab es einen ersten Verdächtigen. Effiziente Trauerbewältigung, so nannte es der Intendant. Tzschaschel bot ihm in den letzten Tagen mehrmals ein Gespräch an, wenn er über seinen Verlust sprechen wollte, aber Wolke ging erst gar nicht darauf ein. »Was hast du in Aussicht?«
    »Zuerst einen Bass. Dimitri Titow, 24 Jahre, tolle Stimme, aber leider wegen einer Bagatelle inhaftiert; er sitzt in Moskau ein. Ich will ihn an meine Oper holen, und nun besprechen wir, wie sich das regeln lässt.« Richard Georg Wolke sah ihn an. Es war sein »Ich bekomme, was ich will«-Blick. »In Hamburg rede ich mit dem Manager eines Geigers, den sie als Paganini-Nachfolger handeln.« Er ersparte sich Details. Der Ramschgroßhändler kannte sich in klassischer Musik nicht aus.
    »Dann drücke ich dir die Daumen.« Tzschaschel schob das Paket mit den Füßen zur Seite, während der Intendant in den roten SL stieg und den Motor startete. Der Sportwagen schnurrte. »Wenn ich bei den Verhandlungen helfen soll …?«
    Wolke ließ den blitzsauberen Mercedes anrollen und tuckerte an Tzschaschel vorbei; dabei drehte er das Fenster runter. »So teuflisch werden die Honorarforderungen nicht sein.« Er nickte ihm zu. »Wir sehen uns in zwei Wochen.«
    »Ich dachte …«
    »Geschäfte, Herbie. Du weißt doch am besten, wie das ist.« Er gab Gas und schoss in die Katharinenstraße. Nach einigen Metern dröhnte klassische Musik durch das dünne Stockverdeck des Cabrio und beschallte den Brühl.
    Tzschaschel bückte sich keuchend und hievte den Karton in die Höhe. Mit einem Kopfschütteln brachte er die Vokuhila in Facon; die Haare kitzelten im Nacken, bevor sie über die Schulter fielen.
    Sein Wagen stand natürlich gute hundert Meter entfernt. Das würde eine Schlepperei werden, aber er nahm es auf sich, anstatt die Kiste abzustellen und die Limousine zu holen. Löwenstein wäre stolz auf ihn.
    Tzschaschel stapfte los, das Tor schloss sich hinter ihm.

    Anderthalb Stunden und drei Wodka später verließ Richard Georg Wolke das russische Konsulat in Gohlis-Süd. Ein erster Erfolg war errungen, und es interessierte ihn nicht, was der Bass zu den ausgehandelten Konditionen sagte. Der Junge hatte zu spuren und durfte sich freuen.
    Die Abmachung war: Die Russen gaben Titow für ein Gastspiel von sechs Monaten als Leihgabe an die Leipziger Oper, und das bei gutem Gehalt.
    Würde der Bass sich benehmen, keine Schwierigkeiten machen und einen Teil des Gehalts an den russischen Staat spenden, könnte er nach einem halben Jahr in die Heimat und gleichzeitig in die Freiheit zurück. Alles andere brachte ihn sofort zurück in den Knast.
    Wolke sah einige Vorteile in der von der russischen Regierung gelenkten Demokratie und verbuchte es unter »staatliche Förderung der Kunst«.
    Er stieg mit einem Bein in den roten Mercedes und blickte hinauf zu den Nachtwolken, die sich über Gohlis zusammenzogen. Es sah nach einem Sturm aus, mindestens aber nach einem Platzregen. Eigentlich hatte er das Verdeck nochmals öffnen wollen, um ein wenig Cabriofeeling zu genießen. Daraus wurde nichts. Zudem war es inzwischen zu kalt.
    »Doswedanja«, rief ihm der Konsul vom Fenster aus nach. Er sah zufrieden aus, da auch er wegen seiner gelungenen Vermittlung einen kleinen Betrag einstrich. Verlangt worden war die Summe nicht, doch der Intendant zahlte die Investition ohne Anfrage. Es erleichterte manches.
    »Doswedanja und spassiba«, antwortete er mit einer großen Operngeste und zum Gruß hochgerecktem Arm, dann sank er in den Sitz, schloss die Tür und drehte den Schlüssel im Zündschloss. Der Wodka in

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