Totenblick: Thriller (German Edition)
nicht!« Ares lehnte sich probeweise gegen die Tür – und sie sprang auf. Er kam sich verarscht vor und ging hinein.
Doch an der Hauptaufgangstür war dieses Mal Schluss.
Abgeschlossen. Genervt stieß er die Luft aus.
Es kribbelte ihn in den Fingern, er rieb sich zuerst über den Musketierbart, dann über die Glatze. Die Zeiten, da er in Wohnungen eingebrochen war, sollten vorüber sein, aber der Wille, der Rückführerin nachzustöbern, war größer.
Sollen sie die Bullen holen. Nach drei kräftigen Fußtritten flog die schwere Tür aus dem Schloss.
Wie zum Beweis, dass etwas mit dem Gebäude nicht stimmte, tat sich trotz des Getöses überhaupt nichts.
Ares ging die Treppe hoch ins erste Geschoss und klopfte fest gegen die zwei Türen, die er vorfand. Keine Reaktion.
Diese Prozedur wiederholte er in jedem Stockwerk, das er bei seinem Aufstieg passierte, ohne dass sich jemand blicken ließ. Ein Geisterhaus.
An der Tür von Mariann Flatow genügte ein Tritt, und der Eingang schwang auf.
Er sah in einen leeren Flur, aus dem ihm der Geruch ihres Parfüms entgegenwallte: alter Stoff und Kölnisch Wasser.
»Nein«, raunte er. Hastig lief er durch die ausgeräumten Zimmer. Es gab nichts, nicht einmal einen kleinen Zettel oder Staubflocken auf dem Boden. Kein Kronleuchter, kein Schrank, nichts von der Einrichtung existierte mehr. Lediglich dieser Duft, der ihn verhöhnte.
Ares war ratlos. Schließlich sprengte er mit der gleichen rabiaten Vorgehensweise die Nachbartür von Flatows Behausung auf, und stand wiederum vor einem Nichts. Der gleiche Anblick erwartete ihn in den nächsten drei aufgebrochenen Behausungen.
Es war unnegierbar: Das Gebäude stand verwaist und entvölkert.
Das Gefühl, das Ares beschlich, nannte man landläufig mulmig. Wie wurde er diesen Traum und diesen Eindruck von permanenter Realitätsverschiebung ohne die Frau los? Neurologe? Psychiatrie? Litt er an Wahnvorstellungen? Glaubte er an Geister … aber wie gut, dass er mit Okkultismus nichts zu schaffen hatte.
Dielen knarrten, ohne dass jemand darüberlief. Das Holz schien sich an die Fußsohlen zu erinnern, die es einst berührten.
Wieder waberte die Vergangenheit empor. Ares entsann sich an die Hausbesuche, die er gelegentlich für die Demons gemacht hatte. Bei Schuldnern. Er war nicht nett mit ihnen umgesprungen, aber niemals laut oder brutal geworden; ein Typ hatte sich dennoch in die Hosen gemacht vor Angst. Dann erinnerte er sich an die Planungen der Überfälle auf die Banken und Geldtransporter, an das Training mit den Demons, die er für den Raub ausgesucht hatte. Ein Detail nach dem anderen poppte in seinem Kopf auf, tobte freigelassen durch seinen Verstand.
Und natürlich erschien das verdrängte Gesicht des Messermannes wieder.
Ares verließ fluchtartig das Haus. Flatows Wohnung bewirkte nichts Gutes.
Als er an der Fassade entlangging, drückte er geistesgegenwärtig auf den Klingelknopf »Hausmeister«, woraufhin nach einigen Sekunden ein graubekittelter älterer Mann aus der Tür kam, Besen und eine Kehrrichttonne in der Hand.
Da er viel kleiner als Ares war, musste er den Kopf in den Nacken legen. »Grundgüt’scher, Sie sind emal een Hüne! Da gommt sich unsereens wie eene Zwersch vor.«
»Ich suche Frau Flatow aus dem Haus gegenüber«, fragte er direkt. »Aber sie scheint nicht mehr dort zu wohnen.«
»Die Flatow? Die mit deene Zeitreisen unn so?«
»Ebendie.«
»Nu, die wohnt schon lange nicht mehr da.« Er stützte sich auf den Besen. »Da sind S’e e bissel spät, junger Mann.«
Ares wurde kurz kalt. »Aber ich habe sie vor ein paar Tagen besucht!«
»Nee. Das glaub’sch nisch. Die hab’sch vor vier Woch’n das letzte Mal g’sehen. Die Möbel sind heute Morgen alle eingelad’n word’n.«
»Was ist mit dem Haus, dass keiner darin wohnt?«
»Soll saniert werden. Die Flatow ist als Letzte raus. Isch werd’ S’e vermissen, die Gut’ste. Hat immer spann’nde G’schichten erzählen gönn’n, auch wenn een bisschen was geflungert war.« Der Hausmeister stellte die Tonne ab und stützte sich auf den Besenstiel. »Nu, wenigstens war es gut erfund’n. Und gelacht hat die immer, und mit ihren blau’n Aug’n gezwingert, dass es eene Freude war.«
Ares konnte sich täuschen, aber hatte seine Flatow nicht braune Augen gehabt? Rasch beschrieb er sie dem Hausmeister, der prompt den Kopf schüttelte.
»Nee, Herr Hüne. Des war nischt die Flatow. Die Flatow is’ schlank wie eine Gerde, und die
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