Totenblick: Thriller (German Edition)
Meinungen Außenstehender eine wichtigere Rolle als die Logik?« Schwedt stieß sich von der Tischkante ab und rollte auf ihrem Bürostuhl rückwärts, schob sich an und drehte sich dabei. »Wenn Adler ein Alibi für nur einen der Mordtage hat, wird die Anklage schneller zusammenbrechen als ein Turm aus nassen Butterkeksen. Auch der unmotivierteste Pflichtverteidiger kann Adler aus den Vorwürfen rausholen, die über den Raubversuch hinausgehen.«
»Er hat keins. Alles, was er uns nannte, erwies sich als falsch, was natürlich Wasser auf die Mühlen von Wolke ist.« Rhode schleuderte das Bällchen durchs Zimmer. Es prallte gegen die Wand, kam einmal auf dem Boden auf und wurde von ihm gefangen.
Seiner Theorie nach hatte der Polizeipräsident verhindern wollen, dass sich auf intensivstes Drängen von Wolke im Innenministerium jemand vom LKA ungefragt einmischte und die Wogen noch höher schlugen, als sie es bereits taten. Er rechnete jede Sekunde mit dem Anruf seines Vorgesetzten, der ihn von dessen wahren Absichten unterrichtete. Rhode ging davon aus, dass die SoKo weitermachte. Mit weniger Druck. Mit weniger Wolke.
»Anke, beruhige dich. Wir können uns jetzt darüber aufregen …«
»Oder einfach weitersuchen«, führte sie den Satz fort. »Und ich möchte, dass festgehalten wird, dass wir von der SoKo nicht glauben, dass Adler der Bildermörder ist. Das soll der Präsi auf seine eigene Schulter laden.«
Kurz breitete sich Stille im Büro aus. Die Kaffeemaschine schnurrte vor sich hin.
Lackmann musste sie eingeschaltet haben. Der Kommissar nutzte sie als Verdunster, um den Geruch regelrecht in die Wände einsickern zu lassen. Der neutralisierend-kräftige Duft half sehr gut gegen seine Alkoholfahne.
Rhodes Blick ging zur Zimmerpflanze, ein unvermeidlicher Ficus benjaminus, der sich nahe am Fenster ausbreitete, als wollte er zu einem Wald werden. Seine Blätter waren der einzige Farbtupfer in dem nüchtern eingerichteten Raum mit den drei Schreibtischen.
An den Wänden waren Tafeln für Diagramme, Notizen und Bilder montiert, sonst gab es dunkelgrau lackierte Metallschränke in verschiedenen Größen mit Ordnern sowie einen Platz mit Drucker und Faxmaschine. Das Hauptquartier von Kommissariat zwei.
Auf Lackmanns Tisch fehlte jegliche Gemütlichkeit. Keiner wusste viel Privates über den Kommissar, den man ebenso Phantom hätte nennen können. Persönliche Dinge standen nur auf ihren Schreibtischen. Bilder, Glücksbringer, Mitbringsel, die nicht zu viel Platz wegnahmen.
Aber eine Chance verdient er wie jeder. Rhode bearbeitete schon wieder das Bällchen. »Mach mal deine Haare zusammen, sonst hängen sie in den Kaffee. Die Farbe steht dir zwar, aber sie hält nicht lange.«
Schwedt schnappte sich ein Haargummi vom Tisch und bändigte die Strähnen, dann sah sie auf das Display ihres Privathandys, das neben der Tastatur lag und Ping von sich gegeben hatte. Ihr Gesicht entspannte sich, und sie lächelte ansatzweise.
Rhode wusste damit, dass Ferdy ihr einen weiteren Liebesschwur geschickt hatte. Oder hieß er Freddy? Egal. Wenigstens konnte die Nachricht sie ein wenig bremsen, bevor sie sich weiter in Rage redete.
Verständnis für ihre Dünnhäutigkeit besaß der Hauptkommissar allemal: Die Geheimhaltung war seit zwei Tagen dahin. Die ganze Stadt redete über die Morde, die Republik schrieb darüber, und auch das Ausland berichtete.
Es war gekommen, wie es kommen musste: Die Eltern von Aileen McDuncan hatten kurz nach der Nachricht vom Tod ihrer Tochter Kontakt zu den heimischen Medien aufgenommen.
Die englischen Boulevardblätter schrieben selbstverständlich sofort in epischer Breite über den grausamen Kleopatra-Mord an der Schottin; das Echo rollte nach Deutschland. Es wurde in regionalen und überregionalen Zeitungen berichtet, private und öffentlich-rechtliche Nachrichtensender brachten die Meldung über zwei grausamen Taten.
Die Pressestelle der Polizeidirektion gab aus ermittlungstechnischen Gründen nur das Nötigste heraus, doch der Fokus der Öffentlichkeit lag nun auf Dezernat eins.
Das wiederum erhöhte den Druck auf die SoKo.
Die Verhaftung von Robin Adler schuf eine erste Beruhigung, bis das Nachdenken einsetzte und sich herumsprach, wie dumm der Verdächtige war. Nicht naiv oder unwissend, sondern schlicht zu dumm, um solche Leistungen wie der Mörder zu vollbringen.
Wie hätte er an die Narkosemittel gelangen sollen? Dazu bedurfte es Schläue und Verbindungen, was bei Adler in
Weitere Kostenlose Bücher