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Totenblick: Thriller (German Edition)

Totenblick: Thriller (German Edition)

Titel: Totenblick: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Südzentrum, 6. Dezember
    Peter Rhode legte auf. Er wusste nicht genau, was er mit Ares’ Entdeckung anfangen sollte, doch sie musste überprüft werden.
    Mit einem kurzen Telefonat schickte er die SpuSi und einen Feuerwehrtaucher nach Gohlis-Süd. Wenn Georg Richard Wolke tatsächlich zusammen mit seinem Wagen im Kanal versenkt worden war, bekam er die Medien gar nicht mehr in den Griff. Und das, wo er eine neue Spur hatte und kein neues Verbrechen gebrauchen konnte.
    Lackmann hatte indessen die Datei zur Optographie durchgeackert. »Ist das Ihr Ernst?«
    »Lesen Sie weiter.«
    Mit einem Ping rauschte die Mail vom Mitarbeiter des KTI zum letzten Blick herein.
    Die Alkoholdämpfe, die aus Lackmanns Mund in seinen Nacken schwappten, wurden unangenehm. »Herr Lackmann, gehen Sie bitte an Ihren Platz. Ich leite Ihnen die Nachricht weiter. Lesen Sie das und sagen Sie mir, was Sie davon halten.«
    »Geht klar.« Der Kommissar schwang sich an den Schreibtisch, der in der Nähe der Tür stand, und vertiefte sich wie sein Vorgesetzter in die Lektüre.
    Es ging um den Sehpurpur, so hatte 1876 der deutsche Professor Franz Boll das Sehpigment benannt. Die heutige Wissenschaft bezeichnete es als Rhodopsin: das lichtempfindliche Pigment in den Sehzellen der Retina.
    Dem System verdankte der Mensch seine Sehfertigkeit. Das Rhodopsin setzte sich aus komplexen Molekülen zusammen, die unter Einfluss von Lichtenergie in ihre Komponenten Opsin und Retinal zerfielen. Dieser Zerfall wiederum erzeugte einen Sinnesreiz, der unentwegte Zellstoffwechsel fügte die Teile gleich wieder zusammen. In gewisser Weise ein Perpetuum mobile.
    Der Entdecker Boll, so erfuhr Rhode aus dem Dossier des KTI-Mitarbeiters, examinierte Froschaugen und stellte zu seiner Verwunderung fest, dass die Netzhaut kurz nach dem Tod der Tiere rötlich purpurn gefärbt war und erst nach etwa sechzig Sekunden ausblich, sofern die Frösche zuvor im Dunkeln gehalten wurden.
    Rhode hörte Lackmann leise fluchen. Es passte! Es passte alles zu ihren Tatorten, den herausgedrehten Glühbirnen, der Finsternis! Schnell las er weiter.
    Bolls Beschreibung weckte die Neugier des Heidelberger Physiologen Wilhelm Kühne. Er startete zunächst mit Fröschen, wechselte aber schon bald zu Kaninchen über. Seine Entdeckungen in den toten Augen gingen weiter: Auf deren Netzhaut zeigten sich stark verkleinerte Abbildungen seines Laborfensters!
    Lackmann, auf dessen Gesicht deutliche Erleichterung abzulesen war, sah zu ihm. »Das ist alles wahr, was hier steht?«
    »Ich denke schon. Das KTI wird es sich nicht leisten können, Unsinn zu fabrizieren.« Rhode dachte auch daran, Korff zu fragen. Er war Thanatologe. Es konnte sein, dass sein Wissen plötzlich nicht nur wegen des Präparierens von Leichen hilfreich wurde.
    Der Hauptkommissar tauchte in die Anfänge der Optographie ein.
    Besagter Kühne forschte weiter und durfte 1880 seine gewonnenen Erkenntnisse an einem Menschen überprüfen: Im Bruchsaler Gefängnis wurde der 31-jährige Erhard Reif am frühen Morgen des 16. November mit der Guillotine hingerichtet, wegen Mordes an seinen Kindern. Doch bevor das geschehen sollte, reiste der Anatom mit seinen Apparaturen an und richtete einen Raum im Gebäude wie sein Labor her. Er wollte herausfinden, ob das menschliche Auge ebenso letzte Informationen speicherte.
    Reif wurde geköpft, Kühne schnappte sich den Schädel, und wenige Minuten danach »waren am Körper keine Reflexe mehr zu erzeugen«, notierte der Anatom. Doch bemerkte er beim Sezieren des linken Auges noch störende Zuckungen im Gewebe.
    Das hinderte Kühne nicht an seinem Erfolg: Die Netzhaut der Leiche zeigte ein millimeterlanges, farbloses Optogramm, das von der hellrosa gefärbten Retina-Oberfläche umgeben war.
    »An dem trüben Herbstmorgen blieb das Bild etwa fünf Minuten sichtbar«, hielt Kühne fest. Da ihm keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung standen, zeichnete er das Optogramm. Allerdings fand er nicht heraus, um was es sich dabei handelte. Nichts im Umfeld des Hingerichteten schien eine Ähnlichkeit aufzuweisen.
    In den 1970ern wurde das Experiment wiederholt. Dieses Mal professioneller, an der Heidelberger Universitätsaugenklinik. Kühnes Kaninchenversuche gingen von vorne los.
    »Tiere narkotisiert, vor einer Leinwand fixiert«, las Lackmann voller Grauen, weil er dabei nicht die Kaninchen, sondern Armin Wolke und Aileen McDuncan vor sich sah.
    Auf die Leinwand wurden Dias projiziert, jeweils mindestens

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