Totenblick: Thriller (German Edition)
verärgern, sollte sich der gregorianische Kalender als wahr erweisen.«
» Deduschka Moros ist russisch für Nikolaus?«
»Großväterchen Frost«, räumte der Attaché ein. »Im Grunde das Gleiche. Bei uns ist Nikolaus der Schutzpatron der Bierbrauer und Brenner.« Er prostete ihm zu und trank den klaren Schnaps auf ex. »Deswegen lautet das Wort für sich betrinken bis heute nikolitjsja «, erklärte er.
Ares zog sofort nach und freute sich über den guten Stoff. »Darauf trinke ich noch einen.« Er stellte das leere Glas auf den Tisch, und Sorokin füllte ihnen beiden nach. Die russische Seele fühlte sich geschmeichelt. »Sie haben sicherlich gehört, warum ich zu Ihnen gekommen bin.«
»Sie suchen Herrn Wolke senior, den Intendanten der Leipziger Oper.«
»Genau. Er war am 13. November hier, um wegen des russischen Basses zu verhandeln. Soweit ich weiß, sollte der junge Mann an die Leipziger Oper geholt werden.« Ares nahm einen Schluck vom milchgetrübten, süßen Tee. Kräftig und weich zugleich.
Der Attaché schob ihm die zweite Runde Wodka hin. »Herr Löwenstein, in wessen Auftrag sind Sie hier?«
Ares besaß genug Menschenkenntnis und die Erfahrung aus Demons -Zeiten, um die leichte Beunruhigung in Sorokins Stimme zu vernehmen. Er ahnte, warum sich der Attaché vorsichtig verhielt. »Mein Klient interessiert sich nicht für die Details der Abmachungen zwischen der Russischen Föderation und meinem Freund. Ihm geht es einzig und allein um seinen Verbleib.« Ares beobachtete den bezopften Russen. »Sollte Wolke verschwunden bleiben, platzt das Geschäft mit ihm.« Er streckte die Hand nach dem Wodka aus und stürzte ihn gleich darauf runter. Ja, das war extrem guter Stoff! »Es wäre daher im Interesse des russischen Volkes, wenn ich ihn finde.«
Sorokin kniff die Lippen leicht zusammen. »Welche Fragen haben Sie?«
Ares lächelte ihn belohnend an. »Sprach mein Freund von Drohungen gegen ihn?«
»Nein. Unser Gespräch drehte sich um Opern von Tschaikowski und Glinka. Intendant Wolke wollte sie in den nächsten Jahren aufführen und dazu unbedingt bestimmte Sängerinnen und Sänger aus Russland haben. Er plante ein russisches Jahr.« Der Attaché trank seinen Wodka. Als er nachschenken wollte, lehnte Ares vorsichtshalber ab.
»Vielen Dank, aber ich muss noch fahren.«
Sorokin lachte freundlich und korrigierte mit dem Zeigefinger den Sitz seiner schwarzen Brille. »Das störte den Intendanten auch nicht.«
Ares horchte auf. »War er betrunken?«
»Nach drei Wodka? Nein. Er kann es mit Ihrer Statur nicht aufnehmen, Herr Löwenstein, aber ein gestandener Mann verträgt kleine Gläschen.« Er nippte am Tee. »Sie wären ideal für die Rolle von Deduschka Moros. Wir haben an Silvester erst unsere Weihnachtsfeier. Wegen des Kalenders. Kann ich Sie engagieren? Ich habe gelesen, Sie sind Schauspieler. Die russischen Kinder wären garantiert von Ihnen beeindruckt.«
»Ambitionierter Laie.« Sie hatten ihn bereits gecheckt, und das Internet hielt selbstverständlich auch über ihn Informationen bereit. Die harmlosen. »Darüber können wir reden, sobald ich Wolke gefunden habe.«
»Verstehe.« Sorokin breitete die Arme aus. »Mehr kann ich Ihnen nicht berichten.«
»Er war nicht mal im Ansatz nervös?«
Der Attaché schüttelte den Kopf. »Er wirkte gelöst und freute sich auf den Aufenthalt in Hamburg. Ich hatte nicht den Eindruck, dass er sich wegen etwas Sorgen machte.« Er zeigte aus dem Fenster zur Primavesistraße. »Er fuhr mit seinem schönen alten Mercedes raus, bog nach rechts ab und verschwand.«
Ares erhob sich. Er glaubte Sorokin. »Danke, dass Sie Zeit für mich hatten, Herr Attaché.«
»Gerne geschehen, Herr Löwenstein. Das Schicksal von Intendant Wolke liegt auch mir am Herzen. Wie Sie schon selbst sagten: Wir haben berechtigtes Interesse, dass es ihm gutgeht und er bald wiederauftaucht. Halten Sie uns auf dem Laufenden?«
Ich oder die Presse, dachte Ares. »Mache ich, Herr Sorokin.«
»Und denken Sie über Großväterchen Frost nach.«
»Glauben die Kinder denn noch an so etwas?« Ares wusste, wie abgeklärt seine beiden jüngeren Töchter waren.
Sorokin staunte ihn an. »Oh, nicht nur die Kinder. Unsere russische Regierung verbot sogar eine Werbung, in der die Existenz von Großväterchen Frost bestritten wurde. Sie sehen: Diese Rolle ist von großer Bedeutung.«
Sie schüttelten sich lachend die Hände.
Bald darauf schritt Ares über den Puderzuckerschnee, der unter
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