Totenblick: Thriller (German Edition)
spröde an.
Zentimeter um Zentimeter wurde ein roter Mercedes sichtbar, mit abgerissenem Verdeck. Das Nummernschild hatte der Taucher vorhin nicht lesen können, nun konnte man es sehen. Die Überprüfung durch den Polizisten ergab: Es war der SL des Intendanten.
Richard Georg Wolke erhob sich gleich darauf persönlich aus der Tiefe, angeschnallt auf dem Fahrersitz. Arme und Kopf hingen nach vorne, seine Leiche war in einem exzellenten Zustand, was Ares auf das eisige Wasser schob. Sie schien nicht mal aufgedunsen.
Die SpuSi befand sich bereits in Warteposition. Sobald der Kran den Wagen an Land aufsetzte, würden sie eine erste oberflächliche Begutachtung vornehmen, die Leiche entfernen und den Mercedes abtransportieren lassen.
Ares zog sein Handy und schrieb Tzschaschel eine SMS, dass der Verdacht, sein Freund könnte tot sein, zur traurigen Gewissheit geworden war.
Aus dem Wrack plätscherte das Wasser. Am Seil schwebend, wurde der Wagen unter dem Blitzlichtgewitter der sich drängenden Fotojournalisten zwischen den Bäumen hindurchmanövriert und auf einer Plane auf der Straße abgesetzt. Dabei nutzte die Polizei den Kran zur Primavesi hin als Sichtschutz, während die Beamten aus zusätzlichen Seitenteilen von Pavillons rasch eine improvisierte Box errichteten.
Das hinderte die zwei aufgelaufenen Kamerateams von privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern nicht daran, Stimmungsaufnahmen zu drehen. Ares achtete darauf, dass sie sein Gesicht nicht zu sehen bekamen. Fotografen schossen weiterhin Fotos, Reporter befragten die Neugierigen und Anwohner.
Ares sah die Kratz- und Schleifspuren am SL, die rechte Seite war verschrammt und eingedrückt. »Abgedrängt«, sagte er halblaut.
»Höchstwahrscheinlich«, bestätigte ein Mitarbeiter der SpuSi und machte Fotos vom ramponierten Wagen und von der Leiche des Intendanten. Es gab nichts zu beschönigen, dafür waren die Spuren zu offensichtlich. Ein Kollege ging ihm zur Hand, hob den Kopf des Toten an, damit die Einzelheiten erfasst wurden.
Ares erkannte keine äußeren Verletzungen, die auf Schüsse, Hiebe oder Stiche hinwiesen. Die Art, wie Wolke sein Leben gelassen hatte, sprach nicht für die Tat des Bildermörders, der eine Familienzusammenführung im Jenseits von Vater und Sohn vorbereitete. Es konnte vom Unfall bis zum Auftragsmord reichen, aber das herauszufinden war Sache der Kripo.
»Brauchen Sie mich noch?«, fragte er den Beamten.
»Nein, gehen Sie nur, Herr Löwenstein. Ich lasse Ihnen das Protokoll Ihrer Aussage zuschicken, und wenn Ihnen noch was einfällt, rufen Sie mich an.« Der Polizist gab ihm eine Visitenkarte. »Ich sage Ihnen dann, welcher Kommissar den Fall verfolgt.«
Ares steckte das Kärtchen ein und stieg in den Smart, den er zwischendurch umgeparkt hatte, um die Bergungsarbeiten nicht zu behindern. Zwar liefen zwei Reporter in seine Richtung, doch er fuhr davon, ehe sie ihn erreichten.
Er freute sich auf eine heiße Dusche, um die Reste des Kanalwassers abzuspülen. Es miefte doch gehörig, sobald es wärmer wurde. Was an Gerüchen aus dem Fußraum neben ihm aufstieg, war nicht schön. Sicherlich roch er ähnlich.
Über die Freisprechanlage telefonierte er mit Tzschaschel und schilderte haarklein, was er bei der Bergung beobachtet hatte. »Damit ist mein Auftrag abgeschlossen. Es tut mir leid, dass ich nichts Schöneres berichten kann. Um alles andere kümmert sich die Polizei.«
Tzschaschel klang ruhig, aber von der Todesnachricht hörbar mitgenommen. »Das hätte ich mir auch gewünscht, Löwenstein. Aber ich bin froh, dass Sie Georg gefunden haben. Wer weiß, wie lange er sonst in diesem nassen Grab gelegen hätte.«
»Dann wünsche ich Ihnen …«
»Nicht so schnell, Löwenstein. Wie wollen Sie Ihr Honorar für Ihre Bemühungen?«
»Können wir das mit dem Köfferchen regeln?«
»Können wir. Muss die Steuer nichts angehen. Geben Sie mir diese Woche frei, Löwenstein. Ich muss erst verdauen, dass Georg tot ist.«
»Sicherlich. Rufen Sie mich an, wenn Sie sich in der Lage fühlen. Wiederhören, Herr Tzschaschel.«
»Bis denn, Löwenstein.«
Ares bog auf den Nachhauseweg ein. Der Nikolaus hatte der überlasteten Leipziger Polizei ein ganz besonderes Geschenk gebracht – und er musste nach der Dusche hurtig einkaufen gehen, um Karo und Elisa zwei Kleinigkeiten mitzubringen. Er grinste sich im Rückspiegel an. Als Deduschka Moros .
***
Leipzig, Zentrum-Süd, 6. Dezember
Polizeipräsident Werner Schimarek, in
Weitere Kostenlose Bücher