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Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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beunruhigt, weil ihr dieser Grund nicht mehr einfiel. Dann wusste sie es wieder. Das Amerikanische Blesshuhn. Sie hatten über eine Stunde lang darauf gewartet, dass es endlich aus dem Schilf hervorkam. Es war ein kalter, sonniger Tag gewesen, der See an den Rändern zugefroren. Vera hatte sich zu Tode gelangweilt, und Hector war wie immer höchst unfreundlich zu den anderen Vogelbeobachtern. Schließlich hatten auf dem Pfad, der am Westufer des Sees entlangführte, ein paar Spaziergänger den Vogel aufgescheucht. Die Leute aus dem Dorf führten dort gern ihre Hunde aus. Tagsüber, dachte Vera, war es mit Sicherheit riskant, dort eine Leiche zu platzieren. Doch ein gewisses Risiko schien den Mörder ja nicht zu stören. Es war ihm offenbar egal, dass man ihn erwischen könnte. Und am späteren Abend bestand dann ja auch nicht die geringste Gefahr.
    «Läuft die Suche am Pfad noch?»
    «Die sind da sicher noch den ganzen Tag beschäftigt.»
    «Aber abends nicht mehr. Sobald es dunkel wird.»
    «Nein», sagte Charlie. «Dann werden sie abbrechen.»
    «Ich will, dass jemand die ganze Nacht dort postiert wird», sagte Vera. «Und zwar von dem Moment an, wenn der Suchtrupp seine Zelte abbricht und die Natur-Freaks alle nach Hause gehen. Heimlich und unauffällig.» Sie hatte den flüchtigen Gedanken, was das wieder an Überstundenzulagen kosten würde, doch das war ihr im Augenblick herzlich egal.
    «Halten Sie es für möglich, dass er vielleicht zum Leuchtturm zurückkehrt?», fragte Holly.
    «Oder an den Mühlbach in Fox Mill», spann Joe den Gedanken weiter. «Falls das Gartenhaus doch irgendeine Rolle spielt. Wenn Lily dorthin zurückgekehrt ist, um jemanden zu treffen, und dabei den Ring verloren hat, den Calvert ihr geschenkt hatte, hat dieser Ort für den Mörder vielleicht eine Bedeutung. Es ist natürlich ein gewisses Risiko, weil das Haus ja bewohnt ist   …»
    Aber das ist ihm egal, dachte Vera erneut. Das Risiko gehört zum Spiel dazu, es ist Teil der Inszenierung. Er hat gemerkt, dass er gerne Publikum hat.
    Alle warteten darauf, dass sie eine Entscheidung traf, und für einen Moment war es völlig still, wie das in Gebäuden mit viel Betrieb manchmal vorkommt. Draußen auf der Straße brüllte ein Baby, und eine Mutter versuchte, es wieder zu beruhigen.
    «Drei Überwachungsteams», sagte Vera. «Eines am Fish Quay. Da reden Sie am besten mit dem Hafenmeister. Eines am See in Seaton, am besten irgendwo beim Unterstand. Und eines im Haus in Fox Mill. Die Calverts können uns ruhig ihr Haus zur Verfügung stellen, das ist ja wohl das Mindeste, nachdem sie uns so lange an der Nase herumgeführt haben. Dass er noch einmal zum Leuchtturm zurückkehrt, halte ich ehrlich gesagt für unwahrscheinlich. Da sind auch die Gezeiten zu unberechenbar. Aber das gilt natürlich erst für heute Abend. Einstweilen will ich, dass jedes kleinste Detail überprüft wird. Fangen Sie nochmal ganz von vorne an. Wenn es erst Abend ist, ist es vermutlich sowieso schon zu spät. Dann wird das Mädchen tot sein.»

KAPITEL NEUNUNDDREISSIG
    Als Felicity aus der Stadt nach Hause kam, sah sie einen Wagen in der Einfahrt stehen. Es war nicht derselbe, den der Spurensicherungsbeamte gefahren hatte. Wahrscheinlich war es sonst jemand im Zusammenhang mit der Mordermittlung. Felicity fragte sich, wann es endlich wieder vorbei sein würde mit dieser Invasion. Vermutlich konnte sie schon froh sein, dass die Presse noch nichts davon mitbekommen hatte, und einen Augenblick lang überlegte sie, ob der Wagen vielleicht einem Reporter gehörte. Als sie zum Gartenhaus hinüberschaute, sah sie, dass das Absperrband verschwunden war.
    Sie hatte gerade die Schuhe ausgezogen und Wasser aufgesetzt, als es auch schon an der Tür klingelte. Vom Küchenfenster aus sah sie den jungen Polizisten, der am Abend zuvor Peter mit aufs Revier genommen hatte. Felicity ging barfuß zur Tür, öffnete und sah, wie sein Blick zu ihren Zehennägeln wanderte, die in einem leichten Zartrosa lackiert waren. Sie glaubte, seine Missbilligung zu spüren, und hätte ihm am liebsten irgendeinen Kommentar an den Kopf geworfen:
Lackiert Ihre perfekte Ehefrau, die immer brav ins Women’s Institute geht, sich etwa nie die Zehennägel? Oder finden Sie das einfach unpassend, weil ich schon Großmutter bin?
Stattdessen schwieg sie, blieb einfach nur stehen und wartete darauf, dass er etwas sagte.
    «Wir haben schon versucht, Sie anzurufen», sagte er. Es klang fast wie ein Vorwurf

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