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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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den Details. Sie bilden ein Gestrüpp, hinter dem wir ihn nicht sehen können, obwohl er vielleicht ganz in unserer Nähe ist. Und gar nicht aussieht wie ein Teufel, sondern nur wie ein weiteres Detail.«
    Sie hat recht, dachte der Commissaris. Denk an den Schlüssel, denk an das Loch in der Tür . Das war seine Theorie: Jeder Mord war ein Loch, ein negativer Raum, und in dieses Loch passte ein Schlüssel. Der Mörder hatte das Loch geschaffen, aber nicht den Schlüssel entworfen. Trotzdem war der Schlüssel im selben Moment da wie das Loch, irgendwo in der Nähe. Man musste ihn nur finden, dann konnte man ihn in das Loch stecken und die Tür öffnen, hinter der sich der Mörder versteckte. Und dann wurde aus dem negativen Raum ein positives Ereignis.
    »Unsere einzige Chance, ihn hervorzulocken«, fuhr Doktor Feline Menardi fort, »besteht darin, das Menschliche im Unmenschlichen zu finden und sich mit diesem Teil seiner Seele zu verbünden.«
    Der Commissaris spähte durch das Schlüsselloch. Er saß im grellen Licht des Konferenzraumes an dem großen runden Tisch mit der Platte aus Walnussholz und spähte durch das Loch und sah sieben in Blumenerde erstickte Neugeborene und eins, das überlebt hatte, weil es in letzter Minute entdeckt worden war. »Es gibt kein Geburtenregister«, bemerkte er.
    Alle verstummten und sahen ihn an.
    »Es gibt keine Eintragungen in ein Geburtenregister, weil niemand gewusst hat, dass Sara Scheffer schwanger war«, sagte er. »Und es gibt keine Vermerke in einem Sterberegister, denn die toten Kinder sind gleichfalls unentdeckt geblieben, bis auf eins, das letzte. Wir sind bisher davon ausgegangen, dass das Baby an demselben Tag geboren wurde, an dem es vergraben wurde, weil das bei den anderen so gewesen ist. Aber vielleicht hat es überhaupt nur deshalb überlebt, weil es schon stärker war als seine Geschwister. Weil es nicht am selben Tag geboren wurde, sondern bereits eine Woche früher, am sechsundzwanzigsten September.«
    »Und zum zweiten Mal am dritten Oktober«, ergänzte die Psychologin und streckte kurz die Hand aus, als wollte sie Van Leeuwen berühren und ihrer Anerkennung spontan tieferen Ausdruck verleihen als mit Worten.
    Der Täter hat keinerlei Schuldgefühle. Er sieht sich als Erlöser, als barmherzigen Samariter.
    Unvermittelt fand der Commissaris sich wieder an dem Punkt, an dem er bisher mit seinen Gedanken stets umgekehrt war. Jetzt ging er weiter, ging aber nicht vorwärts, sondern zurück, geradewegs in das winzige, dunkle Studio des TV -Senders Veronica , ans Ende seines Gesprächs mit Kornelis Jacobszoon.
    Eine solche Einsamkeit, hatte Jacobszoon gesagt, das ist, als wäre man lebendig begraben. Als wäre man sein eigenes Grab.

35
    So sah der Angriff auf Commissaris Bruno van Leeuwen später auf dem Video der Überwachungskamera aus: Das Parkdeck lag im Halbdunkel, nur da, wo es Lampen gab, fiel milchiges Licht auf die grauen Wände und den Betonboden. Die meisten Plätze waren leer. Die wenigen, in großen Abständen voneinander abgestellten Autos wirkten auf dem Schwarz-Weiß-Video entweder grau oder schwarz, und zwischen ihnen konnte man dunkle Zahlen an den Wänden und schwarze Ölflecken neben den hellen Trennstreifen auf dem Beton erkennen. Die Kamera erfasste fast das ganze Parkdeck bis auf einen kleinen Streifen dicht an der Außenwand, wo der Alfa des Commissaris stand. Die Auffahrt war links im Bild zu sehen – ein abwärts gewölbter Betonschlauch, leer, von Leuchtstoffröhren erhellt.
    Rechts unten im Bild des Monitors zeigten kleine weiße Zahlen die Uhrzeit an. Auf dem Band war es 21.27 Uhr, und nichts geschah. Auch um 21.28 Uhr geschah nichts, ebenso wenig um 21.29 Uhr und 21.30 Uhr. Niemand war zu sehen, kein Wagen bog aus der Auffahrt auf die für Polizeifahrzeuge reservierte Parkebene, und kein Wagen verließ sie. Der Alfa von Commissaris van Leeuwen blieb außerhalb des von der Kamera erfassten Bereichs, und auch der Commissaris selbst blieb unsichtbar.
    Um 21.34 Uhr erschien eine Gestalt in der Auffahrt. Sie hielt sich dicht an der gewölbten Betonwand und ging mit den abgehackten, ruckartigen Bewegungen einer schlecht animierten Spielfigur. Die Gestalt glitzerte und glänzte im Halbdunkel, und als sie näher kam, konnte man erkennen, dass sie ein durchsichtiges Regencape trug, auf dem die Nässe das spärliche Licht in Quecksilber verwandelte. Die Gestalt bewegte sich mit ihren schnellen, ruckartigen Schritten durch den

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