TotenEngel
Umgebung Spuren zu sichern und den Weg der unheimlichen Mordserie nachzuzeichnen. Herrje, Bruno, habt ihr eigentlich gedacht, ihr könnt so was geheim halten?!«
Van Leeuwen erwiderte: »Das war nie unsere Absicht, Jaap.«
Joodenbreest bedachte ihn mit einem eisigen Blick, dann warf er die Zeitung vor sich auf den Tisch. »Bis jetzt ist es nur ein kleiner Artikel im Lokalteil, aber wenn wir die Glut nicht sofort austreten, genügt ein Lufthauch, und wir haben einen Buschbrand. Auf keinen Fall will ich noch mal so eine Massenpanik wie vor anderthalb Jahren, als der Kannibale aus Neuguinea hier die Leute abgeschlachtet hat! Und was so eine Mordserie und die dazugehörige negative Publicity für den Tourismus bedeutet …«
»Wir sprechen hier nicht vom weißen Hai«, warf Van Leeuwen ein.
»Sehr komisch, Bruno, aber leider nicht besonders konstruktiv. Mein höchster Beamter, der eigentlich am Schreibtisch sitzen und mich bei der Schulterung der immensen administrativen und politischen Lasten unserer Arbeit nach Kräften unterstützen sollte, reißt stattdessen wieder einmal die Ermittlungen an sich und lässt unsere ganze Truppe wie einen Haufen Trottel aussehen, indem er wie ein popeliger Hoofdinspecteur selbst auf der Straße herumeiert.«
»Hört, hört«, sagte Hoofdinspecteur Gallo.
Joodenbreest warf auch ihm einen Blick zu, der Atemluft sichtbar werden lassen konnte. »Wie auch immer, nachdem der Schaden nun einmal angerichtet ist, sehe ich nur eine Möglichkeit, die Kuh vom Eis zu kriegen. Und deswegen habe ich beschlossen, eine Sonderkommission zusammenzustellen. Zunächst wird davon aber nur die Presse unterrichtet. Wenn wir sie einbinden, weckt dasvielleicht ihr Verantwortungsgefühl, und sie hilft uns, die Sache unterm Deckel zu halten. Zu der Kommission gehören die Anwesenden, einschließlich Doktor Menardi als psychologische Beraterin, sowie ein halbes Dutzend Beamte aus den besonders betroffenen Regionen, wo sich die meisten unaufgeklärten Todesfälle finden.«
»Wer wird die Leitung der Sonderkommission übernehmen?«, erkundigte sich Hoofdinspecteur Gallo.
»In Anbetracht der Brisanz der Angelegenheit und des eklatanten Mangels an Fortschritten, die im Zuge der bisherigen Ermittlungen gemacht wurden, werde ich das selbst tun«, verkündete Joodenbreest. »Und trotz größter Bedenken habe ich mich entschlossen, Teile der laufenden Untersuchungen in den Händen von Commissaris van Leeuwen zu belassen, sofern er …«
»Was für Bedenken?«, erkundigte sich Van Leeuwen so leise, dass er seine eigene Stimme kaum hören konnte.
»Das können wir im Anschluss an diese Besprechung unter vier Augen erörtern, und dann …«
»Ich möchte gern, dass wir es hier und jetzt erörtern«, entgegnete der Commissaris.
»Dieselben Bedenken, derentwegen du erst jetzt und hier von meinem Vorgehen erfährst«, antwortete Joodenbreest. »Auch wenn es anderslautende Meinungen gibt«, er streifte Doktor Menardi mit einem Seitenblick aus dem Repertoire Zweifel und Irritationen , »bin ich der Überzeugung, dass du noch nicht wieder voll auf dem Damm bist. Außerdem ist weiterhin diese leidige Dienstaufsichtsbeschwerde gegen dich anhängig, der zufolge du deinen Rang und deine Uniform als Polizeioffizier der Königin beschmutzt hast, indem du nachts in der Straßenbahn einem farbigen minderjährigen Jungen gegenüber gewalttätig geworden bist.«
»Erstens hatte ich gar keine Uniform an«, widersprach Van Leeuwen, jetzt bereits etwas lauter. »Und außerdem habe ich ihm lediglich einen sanften Klaps gegeben …«
»Sein Anwalt sagt, du hättest ihn grün und blau geschlagen …«
»Das gibt dem Begriff ›Farbiger‹ doch mal eine ganz andere, neue Bedeutung«, warf Vreeling ein.
Joodenbreest beugte sich vor. »Früher hätte ich dich das nicht gefragt, Bruno, aber unter den gegebenen Umständen muss ich es: Hast du ihn dir vorgeknöpft, weil er jung und Ausländer ist?«
»Ich habe ihn mir vorgeknöpft, weil er jung und dumm ist«, antwortete Van Leeuwen. »Er hat seine Freundin geohrfeigt, mehrmals, und niemand in der Straßenbahn fand daran etwas auszusetzen.«
»Daran, dass du ihn geohrfeigt hast, haben jedenfalls eine Menge Leute etwas auszusetzen. Ich habe dem Anwalt gesagt, dass du dich persönlich bei dem Jungen entschuldigen wirst …«
»Das werde ich nicht tun«, erwiderte Van Leeuwen.
»Dann lässt du mir keine andere Wahl …«
»Meine Herren, Sie haben beide Ihren Standpunkt ausreichend
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