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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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heraus wie andere Serienmörder. Sie spielt nicht mit uns, es scheint uns für sie gar nicht zu geben. Sie sucht keine Aufmerksamkeit, will nicht ins Rampenlicht. Weder erfährt sie sexuelle Befriedigung, noch hat sie ein Anliegen, für das sie Öffentlichkeit sucht. Sie ist kein Schlächter, kein Kannibale, kein wahllos um sich schießender Amokläufer. Also, was ist sie? Wonach suchen wir?«
    Menardi nickte. »Zunächst mal – ich bin kein Profiler, aber als Psychologin kann ich wenigstens so viel sagen: Wir haben es auf alle Fälle nicht mit dem Serienmörder aus dem Bastelkasten für Drehbuchautoren zu tun, dem Psychopathen mit der Ledermaske, der eine Spur von abgeschlachteten Teenagern wie Lebkuchenkrümel hinter sich herzieht. Zu den Punkten, die Sie schon genannt haben, könnte man noch ergänzen, dass er seine Opfer nicht zu seinem Publikum macht. Er fesselt und knebelt sie nicht vor der Tat, er hält sie auch nicht gefangen. Er respektiert ihre Würde, deswegen lässt er sie wahrscheinlich auch nicht mit der Plastiktüte über dem Kopf liegen.«
    »Kann es sein, dass er Stimmen hört?«, erkundigte sich Remco Vreeling. »Dass jemand ihm Botschaften schickt?«
    »Das glaube ich nicht«, antwortete Menardi, »obwohl man es nicht ausschließen kann. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er seine Opfer schon vorher kannte, dass sie sich vielleicht sogar an ihn gewandt haben, seine Hilfe suchten. Wenn er Stimmen hört, dann sind es ihre Stimmen. Ich nehme an, dass er vom Leben so abgestoßen ist, wie wir es von seinen Taten sind.«
    »Soll heißen?«, fragte Brigadier Tambur. Sie beobachtete die Frau auf der anderen Seite des Tisches genau, abwägend, schien jede Bewegung zu registrieren, und wenn ihre Augen nicht auf der Psychologin ruhten, um ihr Mienenspiel zu deuten, wanderten sie zu Van Leeuwen, als wollte sie überprüfen, ob er dasselbe sah wie sie.
    »Suchen Sie nicht nach dem Klischee, sondern nach dem Wahrhaftigen«, erklärte Doktor Menardi, »nach etwas in ihm, in seinen Taten, das sich auch in Ihnen findet. Sonst können Sie ihn nicht verstehen.«
    »Und wie soll das gehen?«, hakte Brigadier Tambur nach. Etwas an ihrem Tonfall war anders, neu, eine unterdrückte Schärfe, und auf einmal begriff der Commissaris, woher dieser neue Ton kam: Sie sah Feline Menardi als Frau, nicht als Kollegin, sogar als Rivalin.
    »Denken Sie einfach bestimmte Seiten von sich selbst weiter«, antwortete die Psychologin und sah Julika direkt in die Augen, »erinnern Sie sich an Situationen, in denen Sie das Gefühl hatten, Sie müssten etwas tun, einfach, weil Sie keine Wahl hatten. Oder Sie hatten eine, haben Sie aber nicht erkannt. Es war vielleicht sogar so, dass Sie das, was Sie taten, wie von außen gesehen haben, und Sie wussten, es war falsch, aber eben irgendwie auch richtig. Denken Sie sich eine solche Situation als inneren Zwang, der Sie immer häufiger und stärker heimsucht.«
    »Aber was hat es mit den Daten auf sich, dem sechsundzwanzigsten September und dem dritten Oktober?«, erkundigte sich Vreeling.
    »Wir wissen nicht, warum er gerade an diesen Tagen tötet«, sagte Menardi, »doch für ihn liegt es auf der Hand. Mijnheer van Leeuwen hat auf das Datum hingewiesen, an dem das letzte Baby von Sara Scheffer gefunden wurde – der dritte Oktober 1966. Damit könnte es zu tun haben. Irgendwann werden Sie es herausfinden. Und wenn es so weit ist, werden Sie nicht glauben können, dass darin der Schlüssel zu all seinen Taten liegt, so verstiegen wird es Ihnen vorkommen. Für ihn jedoch ist es vollkommen zwangsläufig, denn in seinem Kopf ist das Verstiegene das Logische. Vor allem aber dürfen wir eins nicht vergessen: Der Täter hat keinerlei Schuldgefühle. Er sieht sich als Erlöser, als barmherzigen Samariter.«
    »Ist es vielleicht möglich, dass wir irgendetwas übersehen?«, fragte Gallo.
    Die Psychologin fuhr sich mit der Hand durch das braune Haar, das sie heute offen trug, und es sah aus, als flösse es zwischen ihren Fingern, glänzend im Schein der Deckenbeleuchtung. »Absolut.«
    »Und was wäre das?«, hakte Brigadier Tambur nach.
    »Ich weiß es nicht, aber man übersieht immer etwas.« Feline Menardi lächelte fast verlegen, als wäre diese menschliche Schwäche ihr ganz persönlicher Fehler. »Eine Kleinigkeit. Ein Detail oder auch mehrere. Manchmal sieht man sogar nur die Details. Sie kennen den Spruch: Der Teufel steckt im Detail. In unserem Fall könnte er lauten: Der Teufel steckt hinter

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