TotenEngel
herumstolzieren und krähen, bloß weil er ein paar Scheine hingelegt hat. Ich verrate dir was, Léon, damit ist jetzt Schluss – niemand feiert mehr mit mir sein kleines Fest, kein Italiener, Belgier oder Engländer, und keiner verschafft sich mehr auf meine Kosten mal eben so im Vorbeigehen Erleichterung …«
Der Commissaris blieb vor ihr stehen, holte seinen Ausweis heraus und hielt ihn so, dass sie ihn sehen musste. »Bist du Gretjen Mol? Cherry? Ich bin Commissaris van Leeuwen vom Hoofdbureau. Du hast den Wijkagenten aus der Warmoesstraat gesagt, dass du den Mann, dessen Tod wir untersuchen, gestern Abend hier gesehen hast?«
Cherry nickte, sagte »Ich ruf später noch mal an!« ins Handy und unterbrach die Verbindung. »Wollen Sie reinkommen, oder sollen wir uns hier draußen unterhalten?«
»Drinnen«, entschied der Commissaris und folgte ihr in die kleine, überhitzte Kabine, in der sie saß, kniete oder lag, wenn sie arbeitete. Sie schloss die Tür, zog den Vorhang zu und setzte sich auf einen Plastikhocker neben dem Fenster. Der Boden aus schwarzem Linoleum knarrte unter ihren Schritten. Eine Wolke eines schweren, süßlichen Parfums umgab sie, halb Sandelholz, halb Schokolade. Sie schlug ihre langen Beine übereinander, eine einstudierte Pose; sie wusste um die Wirkung dieser Haltung. Einer der Lacklederschuhe rutschte von der Ferse und hing nur noch am Spann.
»Könntest du dir bitte etwas anziehen«, sagte der Commissaris. »Nur obenrum, wenn es dich nicht stört.«
Cherry verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln, stand auf und griff nach einer dunkelbraunen Lederjacke, die an einem Haken an der Wand hing. Die Jacke roch neu, und das Leder glänzte und floss so weich, dass man es fast für essbar halten konnte. Cherry fuhr hinein, ohne den Reißverschluss zuzuziehen, kehrte aber nicht auf den Hocker zurück, sondern ließ sich im Schneidersitz auf demüberbreiten Bett nieder. Neben dem Bett befand sich ein Schemel, auf dem eine Schachtel mit Papiertüchern stand, außerdem eine Schale mit bunten Präservativen und Penisringen aus Hartgummi. In einem verchromten Metallständer steckten Dildos in verschiedener Größe und Ausführung wie ein Messerset in einer gut ausgestatteten Küche. In einem offenen Regal hinter dem Schemel stapelten sich sorgfältig gefaltete Handtücher. An der Tür zur Toilette hing über dem Griff eine schwarze Lederpeitsche und an einem Bügel ein mit Noppen besetztes Lederkorsett. Rechts und links von dem Bett warfen Spiegel Cherrys Anblick zurück und wieder zurück.
Auch über dem Kopfende hing ein Spiegel, in dem der Commissaris sich selbst vor dem Bett stehen sah, gebadet in rotes Licht. Außer dem Furcht einflößenden Bett, dem Hocker am Fenster, einem schmalen Kleiderschrank mit angelehnter Tür und einer billigen Musikanlage gab es in der kleinen Kabine nur noch einen niedrigen Sessel, und in den setzte Van Leeuwen sich jetzt, denn im Spiegel sah er so aus, als wartete er nur darauf, dass Cherry ihm die Hose öffnete, und darauf wartete er nicht.
Der Sessel war mit einem roten Kissen weich gepolstert. Der Commissaris sank so tief in dieses Kissen, dass sein Kopf sich fast auf gleicher Höhe mit Cherrys gekreuzten Beinen in der Mitte des Bettes befand. Die gebräunten Oberschenkel wiesen kaum sichtbare Dellen auf; das Gewebe begann bereits nachzugeben. Ohne genau zu wissen, warum, fand der Commissaris, dass es sich um einen tröstlichen Anblick handelte. »Wenn Léon dich nicht beschützt, tue ich es«, sagte er.
Cherry zuckte mit einer Schulter und beugte sich ein wenig vor. »Ach, das. Im Grunde beschütze ich ihn, nicht umgekehrt. Ich kann schon auf mich selbst aufpassen, glaube ich.«
»Gerrit Zuiker konnte das nicht.«
»Wer ist Gerrit Zuiker?«
»Der junge Mann, über den ich mit dir reden möchte«, antwortete der Commissaris. »Der gestern gegen Mitternacht hier gestorben ist.«
»Ist er ermordet worden?«
»Das wissen wir noch nicht. Wir versuchen gerade herauszufinden, was mit ihm geschehen ist.« Ich versuche es, dachte er; weil ich ihn gefunden habe. Er holte das Foto hervor, das Gerrit Zuiker zeigte, wie er auf dem Rücken in der Gasse lag. Er hielt es Cherry hin und fragte: »Das ist er doch, nicht? Das ist der Mann, den du gesehen hast?«
Cherry beugte sich noch weiter vor, sodass er im Schatten des Lederblousons ihre Brüste sehen konnte. Die Warzen waren jetzt nicht mehr steif, doch die Rundung war noch immer straff, und auch dieser
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