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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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Schuldgefühle, alles, was sie vor ihr niederlegen, um ein paar Momente hitzigen Wahnsinns in deinem Mund, deinen Händen oder zwischen deinen Schenkeln zu erleben. Und du hast gesehen, wie sie danach wieder unter ihr Joch zurückkehren, schuldbeladener, einsamer und zorniger als zuvor.
    Inzwischen weißt du alles über Lust und wie man sie bereitet, aber Liebe – Liebe oder Hinwendung, Zuneigung, Leidenschaft –, das bekommt hier niemand von dir, wie viel er auch bezahlt. Kein Mann berührt dich wirklich, egal, wo er dich anfasst, egal, wie tief er in dich eindringt und welchen Eingang zu deinem Körper er wählt. Cherrys Kunden kommen als Fremde, und so gehen sie auch wieder, mit leeren Händen. Wie sie es haben wollen, weißt du. Was sie fühlen, kannst du nicht nachempfinden. Du wirst zum Werkzeug ihrer einsamen Begierden, bloß aus ihren Herzen bleibst du ausgeschlossen, und genauso willst du es haben. In Gedanken stellst du Einkaufslisten zusammen. Niemand bringt dir Befriedigung oder auch nur Zärtlichkeit, aber wenn man dich sticht, blutest du.
    Cherry dachte, sie könnte auf sich selbst aufpassen, doch in der Welt, die Van Leeuwen kannte, konnte das niemand.
    »Was war nun mit dem Mann von gestern Abend, mit GerritZuiker?«, fragte er. »Was war an ihm besonders? Warum ist er dir sofort aufgefallen?«
    »Wegen dem Jungen«, sagte Cherry. »Wegen der Aktentasche und dem Jungen. Und dann die Brille, die er trug! Sie war irgendwie zusammengeklebt, mit Leukoplast oder so was.«
    »Was für ein Junge?«
    Cherry drehte bedächtig das Bonbon in ihrem Mund um, als könnte sie sich dann besser erinnern. »Es sah so aus, als würde er ihm folgen.«
    »Kannst du ihn beschreiben?«
    »Es war ein ganz normaler Junge«, antwortete Cherry. »Er trug Jeans und Turnschuhe und so einen Blouson mit Kapuze, dunkelrot. Ach ja, und ein Skateboard, das hatte er sich unter den Arm geklemmt. Der Mann – Gerrit – wollte wohl nicht, dass der Junge ihn bemerkte, denn er blieb immer stehen, wenn der Junge stehen blieb, und wenn der Junge weiterging, ging er auch weiter, jedenfalls das kurze Stück hier, wo ich ihn sehen konnte. Er sah irgendwie … irgendwie kaputt aus, kaputt und verzweifelt, deswegen ist er mir am meisten aufgefallen. Er hatte diese Aktentasche, die er gegen seine Brust gepresst hielt, als wäre sie wahnsinnig kostbar.«
    »Ist das alles?«, hakte der Commissaris gespannt nach. »Gibt es sonst noch etwas, woran du dich erinnerst?«
    »Es hat geregnet«, sagte Cherry. »Ich hab’s gern, wenn es draußen regnet.« Sie winkte einem Mann mit einem Pepita-Hut zu, der vor dem Fenster stehen geblieben war. Der Mann tat, als hätte er sie gar nicht gesehen, und ging langsam weiter. Cherry meinte: »Der Junge hat auch so hereingeschaut, aber er war viel freundlicher, er hat sogar gelacht. Dann hat er sich umgedreht, und ich glaube, in dem Augenblick hat er den Mann mit der Aktentasche entdeckt. Jedenfalls hat er sein Handy herausgeholt und telefoniert, bevor er schnell weitergegangen ist. Der Mann mit der Aktentasche hat ein paar Sekunden gewartet, dann ist er ihm wieder gefolgt … und der andere Mann auch.«
    »Welcher andere Mann?« Der Commissaris richtete sich auf. »Von einem anderen Mann hast du bis jetzt nichts gesagt!«
    »Der ist mir gerade erst wieder eingefallen.«
    »Was war das für ein Mann? Wo kam er plötzlich her?«
    »Wo er herkam, weiß ich nicht. Ich habe ihn ja erst bemerkt, als er dem Mann mit der Aktentasche nachgegangen ist, und wenn es nicht geregnet hätte, wäre er mir gar nicht aufgefallen. Ich meine, weil nur so wenige Leute unterwegs waren.«
    »Und du bist sicher, dass er Gerrit und dem Jungen gefolgt ist?«
    Cherry zuckte mit der Schulter und biss sich auf die Unterlippe. »Sicher bin ich nicht … Warum ist das denn so wichtig? Es war dunkel, und es hat geregnet, und er wollte nicht gesehen werden, also … Es war nur so ein Gefühl, dass er ihnen nachgegangen ist, okay?
    »Um wie viel Uhr war das?«
    »So um halb zwölf, Viertel vor zwölf. Ich hatte gerade einen Italiener drangehabt und zog den Vorhang wieder auf, und vorher hab ich auf die Uhr geguckt.«
    Der Commissaris wuchtete sich aus dem Sessel hoch. Er hatte sich nicht getäuscht; es war nicht irgendein Toter, kein zufälliger Tod. »Kannst du den Mann beschreiben?«
    Cherry schüttelte den Kopf. »Er war ungefähr so groß wie Sie, aber schlanker, und er hatte einen durchsichtigen Regenmantel aus Plastik an, so eine Art Cape.

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