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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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kannst dein halbes Leben auf der Straße zubringen, aber du kannst nicht verhindern, dass sie zu Hause getötet werden.
    »Darüber ich möchte lieber nicht sprechen.« Der Chinese schüttelte bedauernd den Kopf. »Hätten gern Tasse Tee?«
    »Womit haben Sie Ihren Cousin getötet?«
    »Mit Draht hier.« Der Chinese deutete auf die Tischplatte, auf der eine Drahtschlinge lag. Die Schlinge schimmerte im Schein der Kerze wie Silber, und dort, wo sie in den Hals des Opfers geschnitten hatte, war sie dunkel von getrocknetem Blut. »Bitte, entschuldigen noch einmal Unannehmlichkeiten.«
    Zheng Wu rollte zu einem Gasherd im hinteren Teil des Raumes, wo er eine Flamme entzündete und Wasser aufsetzte. Der Commissaris dachte, dass er eigentlich die Spurensicherung anrufen musste und den Pathologen, überhaupt alle, die zum Einsatz kamen, wenn der gewaltsame Tod eines Menschen eingetreten war. Aber etwas hielt ihn davon ab. Er sah sich in dem kleinen Raum um. Bisher hatte er nichts berührt oder verändert, und außerdem kannte er den Mörder ja bereits, und der Mörder war geständig. Zur Sicherheit beugte er sich über die Leiche und legte zwei Finger an die Halsschlagader des Toten, wie er das schon gestern Nacht bei Gerrit Zuikers Leiche getan hatte. Und wie bei Zuiker gab es keinen Puls mehr, und das Fleisch war noch warm. »Wann haben Sie Ihren Cousin denn getötet?«, fragte er den schwarzen Rücken, den Zheng Wu ihm über der Rollstuhllehne zuwandte.
    »Oh, vor einer Stunde etwa«, sagte der Chinese, ohne in seiner Tätigkeit innezuhalten. »Gleich danach ich habe angerufen.«
    »Sicher ist Ihnen bewusst, dass ich Sie verhaften und mitnehmen muss?«
    »Oh ja, ist mir bewusst.« Der schwarze rohseidene Rücken indem Rollstuhl rührte sich nicht. »Wird sich nicht vermeiden lassen, leider – wenn mit Tee fertig sind …«
    Vorsichtig bewegte der Commissaris sich durch den Raum, den er nun einer genaueren Betrachtung unterzog. Auf dem Fensterbrett stand die fast heruntergebrannte Kerze in einem Zylinder aus rotem Seidenpapier. Hinter dem Tisch verbarg eine braun lackierte Kommode einen Teil der Wand. Darüber hing ein schwarzer Rahmen mit einem auf hellblaue Seide gestickten Bild – ein Schwarm von Mandarinenten, der über einen See flog, offenbar aufgestiegen aus dem silbernen Schilf rings um das mondbeschienene Wasser.
    Der brennende blaue Gaskranz, über dem das Teewasser erhitzt wurde, warf die Silhouette Zheng Wus übergroß und verzerrt in das kleine Zimmer. Das Bambusrollo vor dem Fenster war heruntergezogen. Zum Sitzen gab es sonst nur einen gepolsterten Fußschemel und ein schmales Bett. Auf dem Nachttisch neben dem Bett zog ein weiteres Bild die Blicke auf sich, ein silbergerahmtes Fotoporträt, das eine junge Chinesin zeigte. Sie war schön, und das sicherlich nicht nur nach asiatischen Vorstellungen: Langes schwarzes Haar fiel ihr voll und glatt auf die Schultern, die dunklen Augen blitzten, und ihr Lächeln war gleichzeitig keusch und sinnlich, verheißungsvoll und verschlossen.
    »Warum sitzen Sie im Rollstuhl, Mijnheer Wu?«, wollte der Commissaris wissen.
    »Sehr ärgerliches Leiden«, gab Zheng Wu Auskunft. »Ja, sehr ärgerlich. Aber Tee gleich fertig.« Er nahm den Topf von der Flamme, drehte das Gas ab und schüttete das Wasser in eine Porzellankanne. »Sie nehmen Platz, bitte, ja?«
    Der Commissaris setzte sich auf die Bettkante, von der aus er einen guten Blick auf Zheng Wu, die Leiche seines Cousins und die Drahtschlinge auf dem Tisch hatte. Er hatte auch einen guten Blick auf das Bild der Mandarinenten an der Wand und das Porträt der Chinesin neben dem Bett. »Wer ist die junge Frau auf dem Foto?«, fragte er.
    »Ailing«, lautete die Antwort. »Mein sehr geliebte Frau, AilingWu.« Der Chinese lud sich ein ochsenblutfarben lackiertes Tablett mit zwei zierlichen Tassen, der Kanne und einem Porzellandöschen voll mit braunem Zucker auf seine Oberschenkel. Dann wendete er den Rollstuhl und fuhr damit zum Bett, wo er sich vorbeugte, um den Fußschemel zurechtzurücken. Als er das Tablett auf dem Schemel abstellte, bemerkte Van Leeuwen rote Striemen an seinen Händen, die wohl von der Drahtschlinge herrührten.
    »Lebt Ihre Frau Ailing hier mit Ihnen, Mijnheer Wu?«
    Ein seltsames Ächzen entfuhr der Kehle des Chinesen. »Leider nicht, nein, musste zurückbleiben in Fengdu, nicht genug Geld für zwei Passagen. Wir sehr arm. Damals und heute, leider.«
    »Seit wann leben Sie in Amsterdam?«
    »Seit

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