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TotenEngel

TotenEngel

Titel: TotenEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Fischer
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von Bruce Lee und anderen Kung-Fu-Kämpfern, die mit gegrätschten Beinen und Krallenfingern an rot glühenden Sonnenkugeln vorbeiwirbelten.
    Die Tür von Zeedijk 117 war nur angelehnt. Der Commissaris suchte nach einer Klingel oder Namensschildern, fand aber keins von beidem. Er stieß die Tür auf. Das Treppenhaus dahinter war dunkel und roch nach frisch gewachstem Linoleum und schwach nach Nudelsuppe. Er tastete nach einem Lichtschalter. Die Wand war feucht. Es gab eine einzige nackte Glühbirne über dem nächsten Treppenabsatz, zu dem steile Stufen hinaufführten, allerdings kein Geländer an den dunkelgrün gestrichenen Mauern. Vorsichtig stieg der Commissaris zu der Tür auf dem ersten Treppenabsatz hoch. Die Tür wurde von schief sitzenden Angeln gehalten, der rote Lack des Rahmens war größtenteils abgeblättert. Auch hier entdeckte Van Leeuwen keine Klingel und kein Namensschild.
    Er klopfte. Von irgendwo weiter oben ertönte Musik – Flöten, Schellen und Cymbeln –, jedenfalls nahm Van Leeuwen an, dass es sich um Musik handelte. Er klopfte noch einmal. Auf der anderen Seite der Tür näherte sich ein Geräusch, halb Quietschen, halb Knarren, und eine hohe Stimme rief etwas, das wie Hang-hoikwang-yaaah klang.
    Der Commissaris sagte: »Mein Name ist Van Leeuwen. Ich bin Polizeibeamter. Ich möchte zu Mijnheer Wu – Zheng Wu. Er hat uns angerufen und diese Adresse genannt.«
    Diesmal hörte sich die Antwort an wie Haachhh-ong-moha!
    Ein Riegel wurde zurückgeschoben, gleich darauf ein zweiter. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, und die Tür ging auf. Dahinter saß ein Chinese in einem Rollstuhl. Der Chinese sah den Commissaris von unten herauf an, dann neigte er den Oberkörper nach vorn, bis seine Stirn fast die Knie berührten. Seine Haut war im Licht der nackten Glühbirne pergamentgelb, und seine schwarzen Augen glänzten, als hätte er sie eben frisch lackiert. Er trug einen Anzug aus schwarzer Rohseide, der ebenfalls glänzte und an einigenStellen fast durchsichtig gescheuert war. Unter dem Jackett spannte sich ein weißes T-Shirt um einen schmächtigen Oberkörper. Seine nackten Füße steckten in schwarzen Turnschuhen, die außen mit orangefarbenen Feuerzungen verziert waren. Sein Haar war strubbelig und stand in kleinen, ungleichmäßigen Strähnchen vom Kopf ab, als hätte er es sich selbst geschnitten und dabei zu oft den Kopf bewegt. » I Zheng Wu «, sagte er. » Please come in house .«
    Die Wohnung lag im Halbdunkel. Auch hier hing der Duft einer Räucherkerze in der Luft. Zheng Wu schloss die Tür, setzte den Rollstuhl mit zwei Armstößen in Bewegung und lenkte die Räder durch einen kurzen Korridor. Der Commissaris konnte nicht viel erkennen, lediglich die kleine Gestalt in dem Metallstuhl vor sich und eine weitere Tür zu einem von Kerzenschein erfüllten Raum.
    Zheng Wu teilte einen Vorhang aus Perlenschnüren und hielt eine Hälfte zur Seite, damit Van Leeuwen hindurchtreten konnte. » I sorry« , meinte er. » Very sorry .«
    » Sorry about what? «, fragte der Commissaris. Sein Englisch konnte sich mit dem des Chinesen messen. Was bedauern Sie?
    »Dass Sie haben Unannehmlichkeiten durch mich?«, antwortete Zheng Wu, und es klang mehr wie eine Frage als wie eine Erklärung. »Bitte, kommen und sehen.« Er deutete auf eine lange dunkle Erhebung, die halb unter dem schlichten Esstisch hervorragte. »Das ist Jun Wu. Er war mein Cousin. Ich musste ihn töten. Es tut mir sehr leid . «
    Ein seltsames Gefühl der Benommenheit breitete sich in Van Leeuwen aus. Was hast du erwartet?, dachte er. Hast du wirklich ernsthaft geglaubt, der Anruf stammte von dem Mörder Gerrit Zuikers, nur weil du dir unbedingt einen Mord einreden wolltest – einen Mord und die Macht der Vorsehung, die dich zu seiner Aufklärung nachts ins Rotlichtviertel schickt? Hast du das wirklich gedacht?
    Er trat auf den am Boden liegenden Körper zu. »Warum mussten Sie Ihren Cousin töten, Mijnheer Wu?« Er war benommen, aber schnell gesellte sich ein zweites, vertrauteres Gefühl dazu: Erbitterung. Die Erbitterung war so stark, dass er sich zwingen musste, ihr nicht nachzugeben.
    »Es war leider notwendig geworden«, erklärte der Chinese.
    »Welche Gründe führten zu dieser Notwendigkeit?«, beharrte der Commissaris leise und so höflich, wie es nur ging. Da lag ein getöteter Mensch, und das war ein Anblick, den er mehr als alles andere verabscheute. Du kannst nicht auch noch in die Häuser gehen , dachte er. Du

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