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Totenflut

Titel: Totenflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bent Ohle
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acht Jahre tot ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass er auch erst seit acht Jahren hier lebt, wenn es das einzige Grab hier in Osnabrück bleibt.«
    Â»Was müssen diese Mädchen ertragen haben? In welcher unglaublichen Angst sind sie von der Welt gegangen?« Schröder spürte den Alkohol in seinem Kopf rauschen. Es war, als sei er in einen Fluss eingetaucht, und die Strömung trüge ihn mit sich fort.
    Â»Sie dürfen niemals über so etwas nachdenken! Niemals!«, sagte Elin scharf. Sie wusste, wie gefährlich es war, sich emotional zu sehr auf solche Fälle einzulassen. Viele Beamte endeten beim Psychiater, hatten Probleme, die sie ihren Beruf nicht mehr ausüben lassen konnten. Wenn man so viel Böses sah wie ein Polizist, wurde die Welt nur noch ein Ort der Furcht und der Trauer.
    Â»Können Sie das? Einfach alles ausblenden?«, fragte Schröder, und er klang fast ein wenig verloren dabei.
    Â»Einen kühlen Kopf zu bewahren, ist meine Stärke, denke ich. Sonst wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Vielleicht habe ich aber auch einfach zu viel Angst.«
    Â»Dann ist es wohl meine Stärke, ständig darüber nachdenken zu müssen. Es ist meine einzige Antriebskraft«, sagte Schröder.
    Â»Sie sehen nicht aus, als hätten Sie Spaß an ihrer Arbeit. Aber haben Sie nicht auch den Drang, ständig neue Rätsel lösen zu wollen, hinter das Geheimnis zu kommen?«
    Â»Das hier ist kein Spiel, wissen Sie? Ich will kein Rätsel lösen und auch nicht meine Neugier befriedigen. Ich will, dass …« Er überlegte eine Weile, bevor er den Satz beendete. »… dass jemand für sein Tun bestraft wird. Es geht nicht um Auge um Auge, Zahn um Zahn, aber Verbrechen müssen eine Konsequenz haben. Für das Opfer und für die, die Opfer werden könnten. Nennen Sie es Gerechtigkeit oder wie Sie wollen. Sie haben recht, dass mein Job mir keinen Spaß macht. Aber es ist richtig, was ich tue.«
    Schröder bemerkte, dass er viel zu redselig wurde. Elin versuchte wieder, ihm zu nahezukommen, und der Alkohol hatte seine Zunge zu sehr gelockert.
    Â»Ich muss jetzt los.«, sagte er und leerte sein Glas.
    Â»Wo wollen sie hin?«
    Â»Geht Sie nichts an.«
    Kapitel 15
    Jensen und Hartmann hatten einen Silikonabdruck von den Fußspuren im Wald angefertigt. Aber sie hatten Schröder nicht viel Hoffnung gemacht, die beiden sich überlappenden Abdrücke auseinanderdividieren zu können. Falls doch, konnte es noch mal zwei Wochen dauern, bis sie den passenden Schuh dazu gefunden hatten. Zwei Wochen waren eine lange Zeit, doch Schröder hatte ein gutes Gefühl, was diese Spur anbetraf. Sie war wichtig, sie könnte entscheidend sein, und er setzte eine Menge seiner Hoffnungen auf sie. Das sagte er auch Jensen und Hartmann. Sie sollten ihre Arbeit gründlich machen.
    Elin hatte Schröder gebeten, den Polizisten aufzusuchen, der Annette Krügers Auto gefunden und gemeldet hatte. Sie erhoffte sich mehr Informationen von ihm, als die Geschichte von dem Haufen Hundescheiße, den Trostmann und Keller angeschleppt hatten. Schröder saß der Besuch bei Annettes Eltern noch in den Knochen. Er war heute morgen bei ihnen gewesen, in dem von Hitze und Angst erfüllten Haus, und hatte ihnen mitgeteilt, dass ihre Tochter ermordet worden war. Zum Glück hatten sie zur Identifizierung nicht die Hilfe der Eltern in Anspruch nehmen müssen, und so konnte Schröder sie mit den schrecklichen Details verschonen. Es war erschütternd, die Reaktion der Eltern zu sehen. Allein der Gedanke an den Ausdruck in Frau Krügers Augen, ließ Schröder das Blut in den Adern gefrieren. Er hatte sich schrecklich deplatziert gefühlt in diesem Moment der tiefsten Trauer. Einen intimeren Augenblick gab es wohl kaum, außer vielleicht den des Sterbens selbst. Jetzt waren die Eltern in psychologischer Betreuung. Und Schröder selbst spürte noch ein nervöses Zittern in seinem Körper.
    Er und Elin fuhren raus nach Belm, die langsam aber stetig ansteigende Straße hinauf. Schröder, der in Osnabrück geboren worden war, kannte diese Straße nur zu gut. Seine Großeltern hatten früher in Belm gewohnt, und jeden Mittwoch war er nach der Schule mit dem Fahrrad zu ihnen gefahren. Er hatte diese Straße gehasst. Nur auf dem Rückweg mochte er sie, wenn er sich einfach nur hatte rollen lassen müssen und den Berg

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