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Totenflut

Titel: Totenflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bent Ohle
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Rechnungen auf, und er lacht uns aus! Vielleicht ist es eine Acht, vielleicht will er uns aber nur an der Nase herumführen. Wir sollten mit den Fakten arbeiten!«
    Â»Sie haben recht, Schröder«, sagte Elin, »aber wenn wir wissen, was er mit diesen Zahlenspielen bezweckt, fällt meine Profilanalyse ganz anders aus.«
    Â»Ach ja, richtig! Dann können Sie uns sagen, wie groß er ist, welche Haarfarbe er hat, ob er Katzen liebt, und natürlich auch, wo er zur Zeit wohnt!« Schröder sah Elin fest in die Augen, sodass kein Zweifel mehr bestand, für wie nichtig er ihre Mutmaßungen hielt.
    Â»An wen muss ich mich wegen der Fußabdrücke wenden?«, fragte er Wegener.
    Â»Jensen und Hartmann! Du findest sie drüben in der Technik!«
    Schröder ging, und Elin versuchte zu verdrängen, wie desaströs ihr erster Tag mit ihrem neuen Partner verlaufen war. Ihrer Arbeit war noch nie so wenig Respekt entgegengebracht worden.
    Â»Wir müssen diese Suchaktion starten!«
    Auch Wegener machte sie nervös. Alles, was Schröder an eigenem Willen zu viel hatte, hatte Wegener zu wenig. Er war ein kleiner unsicherer Junge und zögerte bei jedem Schritt, den er tat.
    Â»Wir warten noch einen Tag ab!«, sagte er, und Elin hatte keine andere Antwort erwartet.
    Der nächste Tag begann für Schröder und Elin in der Gerichtsmedizin. Hierher waren alle Leichen zur Untersuchung gebracht worden. Allein das stellte schon eine beträchtliche logistische Leistung dar. Die Räumlichkeiten und vor allem die Kühlräume waren nicht für eine so große Anzahl von Leichen ausgelegt. Man musste sich damit behelfen, dass man die Leichen, von denen man nur noch Überreste gefunden hatte, zusammen mit anderen in ein Kühlfach legte.
    Schröder und Elin gingen einen Flur entlang, dessen Boden und Wände weiß gefliest waren. Eine Fensterreihe ließ nur wenig Licht herein, da sie sich hier im Souterrain befanden. Vor den Fenstern platschte der Regen in die Pfützen. Es gluckste in den kleinen Gullys.
    Â»Sie glauben nicht an das, was ich tue, nicht wahr?«, fragte Elin und sah Schröder, der vor einer Tür stehen blieb, aufmerksam an.
    Â»Ich glaube an das, was der Mörder tut.«, sagte er und drückte die Tür auf. Eisige Luft spülte ihnen entgegen und kroch unter ihre Kleidung. Hier standen sechs Seziertische, von denen fünf mit einem weißen Tuch abgedeckt waren. Die unregelmäßigen Konturen unter den Tüchern ließen erahnen, in was für einem Zustand sich die Leichen befanden. Auf dem sechsten Tisch lag die Leiche von Annette Krüger. Keller, Trostmann und Weise, der Gerichtsmediziner, waren bereits anwesend und warteten auf die beiden. Im kalten Licht leuchtete die Haut von Annette Krüger so weiß wie Schnee. Schröder fühlte sich augenblicklich, als habe man ihn in Trance versetzt. Es zog ihn zu der Leiche hin, doch gleichzeitig wollte er weglaufen, fliehen vor dem, was er gleich sehen würde. Dieser Anblick würde sich für immer und unauslöschlich in sein Gehirn brennen. Sein Mund war trocken, das Schlucken schmerzte.
    Er hatte den Tisch erreicht. Er grüßte keinen der Männer, das war überflüssig. Sie alle standen betreten um die Leiche herum, weil das Leid dieser jungen Frau so schonungslos offen vor ihnen lag. Unendliches Mitleid erfasste Schröder wie eine Flutwelle. Er sah die Wunden, schreckliche Verletzungen, die dunkelrot in der weißen Haut lagen. Aus der Schulter war offensichtlich Fleisch herausgeschnitten worden. Sie hatte Wunden an Hand- und Fußgelenken, an den Knien, den Schienbeinen und der Stirn. Sie lag so schutzlos da, so ausgeliefert, dass Schröder die Tränen kamen. Er hielt sich eine Hand vor den Mund, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Tränen quollen aus seinen Augen und fielen auf das graue Linoleum, wo sie sternförmig zerplatzten. Es war ungewöhnlich und schockierend, einen erwachsenen Mann weinen zu sehen. Bei Schröder hätte Elin es nicht erwartet. Doch hier drin war es mehr als verständlich. Es war fast natürlich, und sie wunderte sich über sich selbst, dass sie nicht weinen musste. Keller stubste Trostmann an. In ihrem ständigen Kampf gegen Schröder war das ein kleiner Sieg für sie. Schröder zeigte Schwäche. Er weinte wie ein Frauenzimmer. Trostmann konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, und nur einen

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