Totenflut
Augenblick später trat Weise auf ihn zu und gab ihm eine schallende Ohrfeige.
»Es liegen siebzehn Frauen in diesem Raum, die alle unvorstellbare Qualen erleiden mussten! Schmerzen, die Sie sich nicht einmal vorstellen können! Zeigen Sie etwas Respekt!«, fuhr er Trostmann an. Trostmann war so überrascht, dass er sich nicht bewegen konnte. Er starrte dem wütenden Weise in die Augen, konnte aber nicht reagieren.
»Macht, dass ihr rauskommt!«, sagte Schröder, und Keller zog Trostmann zurück. Sie verlieÃen den Raum, und die Tür fiel krachend ins Schloss. Es wurde wieder still. Stumm senkten Elin, Weise und Schröder ihre Blicke auf die Leiche.
»Etwas Derartiges habe ich noch nicht gesehen!«, sagte Weise.
»Was können Sie uns sagen?«, fragte Elin.
»Zunächst einmal etwas sehr Ungewöhnliches. Sie ist ertrunken!«
Schröder und Elin glaubten, sich verhört zu haben.
»Ich weiÃ, was Sie denken, aber es ist so.«, beteuerte Weise.
»Er hat sie ertränkt?«, fragte Schröder ungläubig.
»Ich habe keine Kratzer oder Blutergüsse finden können, die auf einen Kampf hindeuten würden. Sehr wohl aber Fesselspuren.« Er deutete mit dem kleinen Finger auf die Einschnitte an Annettes Gelenken.
»Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Serienmörder seine Opfer ertränkt hätte.«, sagte Elin. Sie nahm einen Notizblock aus ihrer Tasche, schrieb das Wort »Wasser« hinein und unterstrich es dreimal. AnschlieÃend holte sie ihren Fotoapparat hervor und begann, Fotos zu schieÃen.
»Diese Schürfwunden deuten darauf hin, dass sie längere Zeit gekniet haben muss«, erklärte Weise und fuhr fort, »die Wunde auf der Stirn scheint von einem Sturz zu stammen. Interessant wird es auf dem Rücken.« Weise drehte Annette auf die Seite.
»Der Täter hat ihr Stücke aus dem Trapezmuskel herausgeschnitten. AuÃerdem erkennt man hier Hämatome, die von mehreren länglichen Gegenständen stammen, die erheblichen Druck ausgeübt haben mussten.« Elin machte von allen Wunden Fotos.
»Post mortem?«, fragte sie.
»Die Hämatome nicht. Die Schnittwunden sind post mortem. Der Täter hat sie auch post mortem vergewaltigt. Das Sperma wird im Labor untersucht.« Weise musste sich räuspern und sprach etwas leiser weiter. »Und er hat ihre Genitalien verstümmelt!«
»In welcher Form?«, fragte Elin. Sie war hochkonzentriert. Jede Information war ein kleines Mosaikstückchen, aus dem sie ein Bild des Täters zusammensetzen musste.
»Er hat ihre inneren und äuÃeren Schamlippen entfernt, ebenso wie die Zunge! Das muss mit einem sehr scharfen Messer geschehen sein. Und das Opfer lebte dabei noch!« Schröder schloss die Augen. Aber seine Gefühle blieben. Er hätte schreien können, so sehr tat ihm dieses Mädchen leid, so sehr hätte er alles wieder rückgängig machen wollen, sie retten wollen. Aber es war zu spät. Nichts konnte ihr Martyrium ungeschehen machen.
»Sie haben also Wasser in der Lunge gefunden?«
»Richtig. Es ist auch im Labor zur Analyse.«
»Todeszeitpunkt?«
»Sie ist seit mindestens sechs Tagen tot.«
»Und die anderen Opfer? Gibt es Parallelen?«, fragte Schröder.
Weise ging zu einem zweiten Tisch und hob das Tuch an. Darunter stand nur ein rechteckiger, weiÃer Behälter, in dem sich bräunliche Knochenreste und ein Totenschädel befanden.
»Dieses Opfer wird sein erstes gewesen sein. Es ist vermutlich seit acht bis zehn Jahren tot.«
»Finden Sie nicht, dass wir uns jetzt einen Drink verdient haben?«, fragte Elin, als sie wieder drauÃen auf dem Flur standen. Vielleicht würde Schröder bei einem Glas Whisky endlich auftauen.
»Was trinken? Jetzt?«, fragte Schröder.
»Na kommen Sie! Ich lade Sie ein.« Elin ging einfach voraus, ohne auf seine Antwort zu warten.
Schröder wollte es sich zwar nur ungern eingestehen, aber irgendwie gefiel ihm dieses vorlaute Mädchen auch.
Es war Mittagszeit, und bis auf einen Gast waren sie allein in der Bar. Elin winkte den Barkeeper zu sich.
»Einen doppelten Bourbon, bitte! Und für sie?«
»Scotch, doppelt!«, sagte Schröder. Der Barkeeper nahm zwei Gläser aus dem Schrank und schenkte ihnen gleichzeitig ein. Sie prosteten sich zu und nahmen beide einen groÃen Schluck.
»Wenn das erste Opfer
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