Totenflut
Rücken wurde von Tag zu Tag schlimmer. Sie waren viel mit den Auto unterwegs und überwachten jeden Einsatz. Schröder wollte unbedingt vor Ort sein, die Gebiete, Lichtungen, Freiflächen selbst in Augenschein nehmen. Er hätte es nicht ertragen können, von der Zentrale aus zu operieren. Doch er bezahlte seinen Einsatz mit Schmerzen. So starken Schmerzen, dass er sein rechtes Bein kaum noch bewegen konnte, bis er tatsächlich über seinen Schatten sprang. Er meldete sich im Krankenhaus.
Ein Kernspin sollte durchgeführt werden, und Schröder graute es schon bei dem Gedanken, in diese enge Röhre geschoben zu werden. Er litt eigentlich nicht unter Platzangst, aber dieses Gerät vermittelte ihm das Gefühl, eingesperrt und ausgeliefert zu sein. Er war gefangen und konnte nicht fliehen. Wovor sollte ich hier schon fliehen müssen?
»Wenn Sie Probleme bekommen, drücken Sie einfach auf diesen Ball hier. Wir holen Sie dann sofort raus. Ich werde Sie jetzt in die Röhre schieben. Bitte versuchen Sie, sich nicht zu bewegen während der Untersuchung. Sobald ich drauÃen bin, geht das Gerät an und gibt laute Klopfgeräusche von sich. Alles verstanden?«
Schröder nickte. Die junge Dame setzte ihm die Kopfhörer auf und schob ihn in den Kernspin. Er schloss die Augen, hörte, wie sie den Raum verlieà und die Maschine ansprang. Ein Summen ertönte, dann ein Klopfen, und er wurde automatisch tiefer in die Röhre geschoben. Schon jetzt, nach den ersten Minuten auf der harten Liege, waren seine Schmerzen schlimmer geworden. Mit fortschreitender Zeit verkrampfte sich seine Rückenmuskulatur immer mehr. Es wurde heià in der Maschine, und Schröder spürte ein Stechen auf der Haut wie tausend kleine Nadelstiche. Er öffnete die Augen. Die Röhre schien immer enger zu werden. Die Plastikabdeckung, hinter der der Magnet rotierte, berührte fast seine Nasenspitze. Er hatte die Hand bereits fest um den Ball geschlossen. Bald würde er klingeln müssen, um diese Tortur zu beenden. Innerlich fluchte er auf das verdammte Krankenhaus. Er kam hierher, und sie waren nicht mal in der Lage, seine Schmerzen zu lindern. Im Gegenteil. Es wurde alles nur noch schlimmer in diesem Ding. Kurz bevor er es nicht mehr aushielt, kam die Arzthelferin zurück und erlöste ihn.
»So, fertig! Konnten Sie es aushalten?«
»Mir gehtâs schlechter als vorher! Hoffentlich hat sich das gelohnt.«, sagte Schröder und kämpfte sich von der Liege herunter.
Im Wartebereich saà er einer jungen Frau gegenüber, die einen Gips um ihr rechtes Bein trug. Schröder beobachtete sie, während sie in einer Zeitschrift las. Sie war brünett mit langen, glatten Haaren, die sie manchmal mit einem Griff über ihre Schulter wieder nach hinten warf. Sie passte exakt in das Beuteschema des Killers. Am liebsten hätte Schröder sie gewarnt, nachts nicht allein auf verlassenen LandstraÃen unterwegs zu sein. Nicht anzuhalten, wenn jemand mit einer Panne am StraÃenrand stand und auf Hilfe wartete. Er sah das Mädchen auf einem Leichentisch liegen. Ihre Haut so weià wie der Gips um ihr Bein. Da ging die Tür zum Arztzimmer auf, und Dr. Hiller beugte sich heraus.
»Herr Schröder, bitte!«
Schröder stemmte sich auf die Beine und folgte dem Arzt in leicht gebückter Haltung.
»Bitte setzen Sie sich!«, sagte Hiller, warf sich auf einen fahrbaren Hocker und rollte damit zur Lichtwand, wo die Bilder von Schröders Wirbelsäule hingen.
»So, haben Sie es doch geschafft, zu uns zu kommen! Dr. Petri sagte mir, dass Sie ⦠nun, er sagte, und das sind seine eigenen Worte, dass Sie ein sturer Bock seien und diese Untersuchung hinausschieben wollten. Aber ich kann Ihnen versichern, es war gut, dass Sie gekommen sind.«
»Ich bereue es jetzt schon!«
»Herr Schröder, Sie haben in der Tat ein sehr ernstzunehmendes Rückenproblem!« Hiller zückte einen Kugelschreiber aus seiner Brusttasche und deutete damit auf einige Bilder.
»Hier, im Bereich des dritten und vierten Lendenwirbels, haben Sie einen sehr groÃen Bandscheibenvorfall! Dieser drückt bereits erheblich auf die Nervenstränge. Die Nervenkanäle sind dadurch in Mitleidenschaft gezogen worden. Wie lange haben Sie diese Probleme schon?«
»Ein paar Jahre.«
»Nun, ich bedaure, Ihnen keine bessere Nachricht geben zu können, doch ich
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