Totenflut
Sohn.
»Na, lange Nacht, was?«
»Ja, viel zu lang!«
Karl humpelte in die Küche und stellte den Wasserkocher an.
»Wir haben ihn!«, sagte Schröder, und es klang furchtbar harmlos.
»Im Ernst? Wer ist es?«, fragte Karl.
»Ein Polizist aus Belm!«
»Ein Polizist?«
»Ja! Jetzt werden wir etwas mehr Zeit haben. Und ich werde eine Woche lang nur schlafen.«
»Das musst du mir in Ruhe erzählen. Ich geh schnell ins Bad«, sagte Karl.
»Ruf mich, wenn du Hilfe brauchst! Und nicht abschlieÃen!«
»Oh, da hat übrigens jemand für dich angerufen. Die Nummer hab ich aufgeschrieben.«
»Wie hieà er denn?«
Aber Karl war bereits im Bad verschwunden. Schröder rieb sich die Augen, stand auf und ging zum Telefon. Die Nummer war ihm unbekannt. Er nahm den Hörer in die Hand, um die Nummer zu wählen, da klingelte das Telefon.
»Schröder?«
Es war Wegener. Schröder hörte, was er zu sagen hatte, und legte auf. Dann steckte er den Zettel mit der Nummer in die Jackentasche und fuhr so, wie er war, aufs Revier.
Winkler saà im selben Verhörraum wie Mike damals. Seine Hände und FüÃe waren an einen ledernden Gürtel gefesselt. Schröder und Elin saÃen ihm an einem Tisch gegenüber. Winkler starrte auf die weiÃe Tischplatte und grinste.
»Sie wollten uns sprechen?«, fragte Schröder.
Winkler sah auf.
»Das stimmt! Ich wollte gestehen! Ein Geständnis ablegen!«
»Was wollen Sie denn gestehen?«
»Wie haben Sie mich gekriegt? Wie sind Sie auf mich gekommen?«, fragte er.
»Sie haben Fehler gemacht. Es gibt keinen perfekten Mord. Man findet immer Spuren. Jeder Täter verrät sich.«, sagte Elin.
»Ist das so?«
»Dumm, dass Sie in das Auto gestiegen sind. Dumm, dass Marie ihnen entwischt ist.«
Winkler musste lächeln.
»Dumm, dass Sie einen FuÃabdruck hinterlassen haben.«
»Sie haben recht! Ich bin wohl dumm.«
»Wo sind die anderen Leichen vergraben?«, fragte Schröder.
Winkler reagierte nicht, starrte nur vor sich hin.
»Was bedeutet Ihnen die Mathematik?«, fragte Elin.
»Ich habe die Mädchen eingefangen. Sie kamen alle mit mir. Alle!«
»Wo haben Sie sie hingebracht?«
»Ich habe sie getötet!«
»Das wissen wir. Aber warum Wasser, warum haben Sie sie ertränkt?«
»Wasser reinigt!«
»Und die Verstümmelungen? Wieso?«, wollte Schröder wissen.
»Ich brauche ihr Blut! Ihr Fleisch! Sonst wäre ich selbst gestorben! Niemand will doch sterben! Ich brauche das Blut. Ich habe eine Krankheit, wissen Sie? Ich kann leider kein normales Essen zu mir nehmen, so wie Sie. Ich bin auf Blut angewiesen. Sonst versagen meine Organe. Das ist eine sehr seltene Erkrankung des vegetativen Nervensystems. Blutarmut. Mein eigenes Blut löst sich einfach auf. Ich muss Blut zu mir nehmen, um meinen eigenen Bluthaushalt zu stabilisieren.«
Schröder wusste nicht, ob er lachen sollte. Nahm Winkler wirklich ernst, was er sagte, oder versuchte er sie lächerlich zu machen?
Doch er sah aus, als sei dieses Gefasel seine volle Ãberzeugung. Auch Elin zweifelte plötzlich an seinem Geisteszustand.
»Wissen Sie, was die Wurzel aus 121 ist?«, fragte sie.
Winkler reagierte nicht.
»Die Hauptstadt von Frankreich?«
»Sind das Ihre Methoden, um meine Zurechnungsfähigkeit zu prüfen? Eine Rechenaufgabe und ein wenig Geographie? Wenn ich das falsch beantworte, komme ich nur in die Klapse und nicht in den Knast, stimmtâs? Glauben Sie, wenn ich zurechnungsfähig wäre, dass ich diese Fragen dann wahrheitsgemäà beantworten würde? Oder würde ich Sie anlügen?«
Winkler beugte sich nach vorn und freute sich auf eine Antwort. Elin sagte nichts.
»Fünf und Belgrad! Ich will Ihnen was sagen, Kollegin! Ich sage Ihnen, wie es sich anfühlt, Blut zu trinken! Blut, das direkt aus den Adern eines Menschen flieÃt. Es ist herrlich warm, und es ist dicker, vollmundiger als Wasser, aber nicht so breiig wie Tomatensaft, eher wie Orangensaft, ganz weich und warm. Und der Geschmack explodiert förmlich im Mund, sofort hat man das Gefühl, den Geschmack überall zu schmecken, zu riechen und zu fühlen. Er füllt einen ganz aus. Es ist wie flüssige Energie. Der Körper saugt das Blut förmlich auf, und jede Zelle trinkt und trinkt, bis sie voll ist mit diesem
Weitere Kostenlose Bücher