Totenflut
alle gelöscht. Ein Team war bereits vor Ort und hatte Winkler seit sechs Stunden observiert. Er war zu Hause. Umsonst würden sie heute nicht kommen.
Nachdem die Scharfschützen sich postiert hatten, stiegen Schröder und Elin aus. Mit vier Beamten gingen sie die Treppe hinauf zur Eingangstür. Ein letztes Mal blickten sie sich alle in die Augen. Als Schröder klingelte und kein Klingelzeichen zu hören war, wurde die Tür aufgebrochen. Die vier Einsatzkräfte gingen zuerst rein. Dann folgten Schröder und Elin. Mit Taschenlampen und Waffen im Anschlag arbeiteten sie sich durch den Flur vor. Geisterhaft starrten die Hirschköpfe sie aus ihren toten Augen an. Ein Beamter ging nach links in die Küche, ein anderer rechts den Treppenaufgang hoch. Ein dritter betrat das Büro am Ende des Ganges. Hier hing Winklers Uniform über einer Stuhllehne. Doch von ihm keine Spur. Geradeaus führte eine Tür ins Wohnzimmer. Der vierte Polizist öffnete sie und fand auch diesen Raum verlassen und dunkel vor. Die Lichtkegel ihrer Taschenlampen flogen umher und beleuchteten ein altes Sofa, auf dem verschiedene Kleidungsstücke lagen, einen Sessel mit einer Fernbedienung auf der Lehne und einen Tisch, vollgestellt mit Tellern, Tassen und Essensresten. In einem Wandschrank standen ein Fernseher und ein DVD -Spieler. Unzählige DVD s lagen in den Fächern des Schrankes. Schröder stand inmitten des Zimmers und lauschte in die Dunkelheit. Elin sah sich ratlos um und lieà ihre Waffe sinken.
»Das ist er nicht! Wir haben den falschen Mann!«
Schröder deutete ihr wütend an, dass sie ruhig sein solle.
Die anderen Beamten stieÃen zu ihnen.
»Das Haus ist ein Chaos! Es ist der Falsche, glauben sie mir!«
Schröder zeigte mit dem Finger auf den zugezogenen Vorhang. Der Saum bewegte sich leicht. Schröder ging vorsichtig näher und schob ihn beiseite. Eine Terrassentür kam zum Vorschein. Sie war geöffnet und führte in einen Garten. Dort stand ein kleines Häuschen, durch dessen winziges Fenster schwaches Licht auf den Rasen fiel. Ãber Funk wurden die Scharfschützen reingerufen, die sich als Erste im Garten in Stellung brachten. Dann gingen sie raus. Elin folgte als Letzte. Sie hatte ihre Waffe wieder eingesteckt, weil sie keine Gefahr mehr sah. Irgendwo war ihnen ein Fehler unterlaufen. Vielleicht hatte sie Schröder und seinem Verdacht zu schnell Glauben geschenkt. Vielleicht war das Zusammenkommen so vieler Fakten und Indizien doch nur ein simpler Zufall gewesen. Sie würden Winkler wahrscheinlich beim Fahrradflicken oder beim Biertrinken mit ein paar Freunden überraschen, mehr nicht.
Schröder fixierte die Tür des Gartenhäuschens über Kimme und Korn. Ein Schatten huschte an dem schmutzigen Fenster vorbei und beinahe hätte er abgedrückt. Sein Herz machte einen Sprung und verschlug ihm den Atem. Er holte einmal tief Luft und ging weiter. An der Tür streckte er langsam die Hand aus und berührte die Türklinke. Er musste gegen seine Angst ankämpfen, spürte die Nähe der anderen Polizisten in seinem Rücken und an seiner Seite, und dann drückte er die Klinke herunter und stieà die Tür auf.
Niemand konnte diesen Anblick begreifen. Das Bild, das sich ihnen darbot, war so fremd und brutal, dass zunächst keiner die Gefahr spürte. Das Bild musste erst von ihrem Verstand verarbeitet werden, nachdem sie in Sekundenbruchteilen alle seine Einzelteile wahrgenommen hatten. Als das geschah, als das Begreifen einsetzte, reagierten die Ersten. Ihre Körper spannten sich, die Arme streckten die Waffen weiter vor. Elin ging instinktiv in Deckung und zog ihre Pistole. Schröders Zeigefinger krümmte sich um den Abzug. Seine Augen waren weit geöffnet, sodass sie alles sehen und auf alles reagieren konnten.
In der Mitte des Raumes hing kopfüber ein ausgeweideter Hirsch. Der Bauch war aufgeschlitzt und klaffte auseinander. Seine Kehle war durchgeschnitten und Blut tropfte aus der Wunde in einen kleinen Abfluss im Boden. Die Zunge hing ihm weit aus dem Maul. Verschiedene Eimer und Wannen aus rostigem Metall standen herum. Eine Wanne war mit den noch dampfenden Gedärmen des Tieres gefüllt. In einer anderen befand sich Blut. Eine nackte Gestalt kniete davor. Sie war über und über mit Blut besudelt. Die Gestalt hatte ihren Kopf in die Wanne getaucht und schien das Blut zu trinken. Plötzlich
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