Totenflut
Stelle, etwa zwanzig Meter nordwestlich von dem Massengrab, haben wir auf einem Trampelpfad einen Abdruck gefunden, der von einem Polizeischuh stammt. Ich möchte, dass Sie versuchen, sich jetzt genau zu erinnern, wo Sie sich an diesem Tag aufgehalten haben und ob der Abdruck vielleicht von Ihnen stammen könnte. Nehmen Sie sich Zeit. Sie können auch nach vorne kommen und das Foto genau betrachten.«
Kaum hatte Schröder den Satz beendet, ging eine Hand nach oben. Der junge Wessel meldete sich.
»Ja?«
»Ich habe dort gesucht! Das war mein Sektor! Ich kann mich noch erinnern, dass dort eine Pfütze war. Ich dachte, ich sollte da besser nicht reintreten, also bin ich rübergestiegen. Aber, dass ein Abdruck darin war, konnte ich nicht erkennen.«
»Sind Sie sich wirklich sicher? Das ist schon eine Weile her.«
»Ich bin mir sicher! Diesen Tag werde ich bestimmt nicht vergessen!«
Der junge Polizist musste um seine Fassung kämpfen. Schröder und Elin sahen auch den anderen an, was dieser Tag in ihnen hinterlassen hatte. Eine bedrückende Stille füllte den Raum. Schröder musste sich räuspern, bevor er weitersprechen konnte.
»Vielen Dank! Sie können gehen!«
Die Männer erhoben sich und verlieÃen den Raum. Als Wessel an Schröder vorbeiging, klopfte er dem jungen Mann auf die Schulter. Wortlos entfernte sich die Gruppe, und Schröder und Elin blieben allein zurück.
»Er war also dort! In seiner Uniform!«, sagte Elin.
»Jensen lag falsch! Der Polizist war nicht übergewichtig, er trug die Leiche auf seinen Schultern. Deswegen war er so schwer.«
»Jetzt verstehe ich! Das ist seine Masche. Er stellt sich nachts auf die LandstraÃen und fingiert eine Polizeikontrolle. Auf diese Weise kann er sich die Mädchen heraussieben. Deshalb stehen die Autos am StraÃenrand. Deshalb stecken die Schlüssel, stehen die Türen offen. Natürlich. Sie steigen aus oder von ihrem Roller und gehen mit einem Polizisten mit. Mit jemandem, von dem man zuallerletzt glaubt, dass er ⦠Sie haben ihm alle vertraut und sind mit ihm gegangen! Direkt in ihr Verderben!«
Schröder sah Elin tief in die Augen.
»Jetzt haben wir ihn! Ich weiÃ, wer es ist!«, sagte er leise, fast flüsternd.
»Was? Wen meinen sie?«
»Niemals haben wir Spuren an den Fahrzeugen finden können. Weil er nie in ihrem Auto war. Sie stiegen ja alle aus! Nur einmal hat er den Fehler gemacht, selbst einzusteigen. Als er ein abgestelltes Auto an der StraÃe untersuchen musste. Wir waren bereits bei ihm! Das Haar von dem Hirsch stammt von einer Trophäe! Es ist Winkler!«
Kapitel 24
Es war Nacht. Schröder, Elin und acht weitere Einsatzkräfte bereiteten sich auf den Zugriff vor. Der Einsatz war unter höchster Geheimhaltungsstufe organisiert worden. Nur eine Handvoll Beamte war eingeweiht.
Das Einsatzkommando sowie Schröder und Elin waren in Schwarz gekleidet. Drei Scharfschützen präparierten ihre Gewehre und Zielfernrohre. Schröder lud seine Waffe durch, und Elin legte eine schusssichere Weste an.
»Wo ist Ihre Weste?«, fragte sie.
»Mit dem Ding am Körper könnte ich nicht aufrecht stehen.«
»Passen Sie auf, dass Ihr Rücken Sie nicht mal das Leben kostet, Schröder! Würden Sie einen gut gemeinten Rat von mir annehmen?«
»Nein!«
»Gehen Sie zur Osteopathie!«
»Ich weià nicht mal, was das ist«, sagte er abwertend. Für Unterhaltungen dieser Art war jetzt nicht die Zeit. Jeder musste hundertprozentig konzentriert sein auf das Ziel.
Schröder blickte prüfend zu seinen Kollegen.
»Fertig? Es geht los!«
Sie stiegen in die Autos. Schröder fuhr mit Elin voraus. Sein Herz galoppierte. Er hatte so viel Adrenalin und Schmerzmittel in den Adern, dass sein Rücken völlig taub war. Er fühlte sich an wie ein Stück Holz. Sein Gesicht war kochend heiÃ, als hätte er Fieber, doch seine Hände waren eiskalt. Gleich würden sie bei ihm sein. Gleich standen sie dem Monster gegenüber. Nur, dass er nicht wie ein Monster aussah. Im Gegenteil. Schröder hatte ihn ganz sympathisch gefunden damals. Aber das war nur eine Maske gewesen. Heute Nacht würde er ihnen sein wahres Gesicht zeigen.
Schröder prüfte im Rückspiegel, ob alle Autos folgten. Als er in die nächste StraÃe einbog, sah er schon das Haus mit dem Polizeischild. Die Lichter waren
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