Totenfrau
Alles ist gut. Die Mädchen sind bei den Pinguinen auf dem Bildschirm, Blum hat alles wieder unter Kontrolle. Massimo ist weg, er hat das Haus verlassen, und er wird es nie wieder betreten.
Blum. Wie sie einatmet. Und ausatmet. Kurz steht sie einfach nur da. Sie denkt darüber nach, was zu tun ist, was passieren wird. Wie sie es machen wird. Und wo. Was vorher passieren muss. Was sie zu dem widerlichen Privatdetektiv sagen wird. Weil er immer noch da ist, weil er immer noch vor ihrem Haus parkt, weil er immer noch Geld will. Schrettl, der kleine, dicke Mann in der roten Badehose. Während sie nach unten geht, sucht sie nach Worten, die ihn dazu bringen werden, zu verschwinden. Während die Mädchen weiter gebannt vor dem Fernseher sitzen, wird sie dieses kleine Problem aus der Welt schaffen. Blum. Sie geht durch den Garten, durch die Einfahrt auf die Straße, dorthin, wo Mark gestorben ist. Schrettl in seinem Wagen, sie wird an seine Scheibe klopfen und es ihm sagen. Dass er sterben wird, wenn er bleibt.
Ein Satz nur. Ich werde dich töten, wenn du nicht verschwindest. Nicht mehr. Nur ein Satz. Weil sie es fühlt, weil sie wütend ist, weil sie alles kaputt schlagen könnte, weil Massimo ihre Kinder berührt hat, weil sie mit ihm geschlafen hat, weil Mark tot ist, weil nichts mehr so ist, wie es war. Weil alles gut war vorher. Weil sie glücklich war, bevor dieses Auto gekommen ist. Deshalb dieser eine Satz. Nur ihr Gesicht, ihr Kopf, der den Weg in das Innere des Wagens sucht. Blum greift an. Blum wartet nicht, bis wieder etwas passiert, sie beugt sich vor. Sie droht ihm. Sie sagt, dass sie ihn töten wird. Einfach so, nachdem sie ihre Kinder geküsst hat. Einfach so, weil die Situation es verlangt. Weil sie keine andere Wahl hat, weil sie ihn loswerden muss. Nicht nur für den Moment, sondern für immer. Weil sie nicht zahlen will. Weil sie Menschen wie ihn hasst. Schrettl. Ich werde dich töten, wenn du nicht verschwindest. Eiskalt. Mitten ins Schwarze. Wütend, zu allem bereit.
Auf der Straße vor dem Haus. Sein Gesicht, als sie es ausspricht. Seine fragenden Augen. Wie er erschrickt. Zweifelt. Wie er ihren Mund sieht und es weiß. Dass sie es ernst meint, dass es kein Witz ist, dass sie dazu fähig ist. Schrettl und Blum. Sie schauen einander an. Zehn Sekunden lang Schweigen, dann zieht Blum ihren Kopf wieder aus dem Wagen und geht. Ohne sich umzudrehen, zurück ins Haus. Hinter ihr ein Motor, der startet. Schrettls Wagen, der die Straße hinunterfährt.
Blum. Wie sie die Treppe hinaufgeht und sich zu den Kindern setzt. Wie ihr Kopf fast zerspringt, weil Hunderte Gedanken kreisen, weil es in ihr laut ist, weil sie handeln muss, schnell. Blum sitzt auf dem Sofa neben den Kindern und starrt in den Fernseher. Biene Maja fliegt. Massimo ist ein Mörder. Blum muss handeln. Sie muss mit Reza reden, sie müssen es beenden, für immer, ihn verschwinden lassen. Weil er etwas ahnt, weil er Reza verdächtigt, weil er diesen Zweifel in den Augen hatte. Weil er vielleicht mehr weiß, als er zugibt. Weil jeder Tag, an dem er noch lebt, wehtun wird. Seine Anwesenheit ist wie Gift. Wenn sie nur an ihn denkt. Dass er ihr Mark genommen hat. Ihr Herz einfach herausgerissen hat. Mit bloßen Händen. Massimo.
Der letzte der fünf Männer. Alles, was Blum über ihn gehört hat. Alles, was sie nicht über ihn gewusst hat, über Massimo, den Mann mit der Clownsmaske, den Mann, der seine Opfer verhöhnt hat. Das, was Dunja über ihn erzählt hat, übertraf alles andere. Seine Brutalität, die Gewalt. Erst nach ungefähr einem Jahr war er dazugekommen, mit ihm wurde es im Keller noch dunkler. Aus vier Peinigern waren fünf geworden. Dunja beschrieb ihn als den Schlimmsten von allen. Als Kopf des Ungeheuers, vor ihm fürchteten sie sich am meisten. Wenn er kam, wussten sie, dass Schmerzen auf dem Programm standen. Schmerzen und Wut. Massimo. Der liebenswerte Polizist, der hilfsbereite Freund der Familie, Blums Verehrer, der unglückliche Ehemann, der Fürsorgliche, der Mann, von dem sie das niemals gedacht hätte. Keinen Atemzug lang. Dass er so etwas tun könnte, Frauen schlagen, sie vergewaltigen, eine schwangere Frau, so lange, bis sie vor Schmerzen fast stirbt. Bis sie beinahe ihr Kind verliert. Dunja hat es erzählt. Zuerst Mark, dann Blum. Wie er in Ilenas Bauch geboxt hat. Immer wieder mit der Faust, auf das Kind, vielleicht sogar auf seines. Es war alles auf Marks Telefon, Details, Dinge, die Dunja nicht vergessen konnte,
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