Totengeld
aufgewickelt. Ich betrachtete etwas, das aussah wie ein verschrumpelter Hundekopf, die Lider geschlossen, an einem platt gedrückten Ohr noch Fell.
Ich dachte zurück an mein Studium, ein Seminar über südamerikanische Archäologie. Doch es kamen nicht mehr als ein paar Grundbegriffe. Fünfzehntes Jahrhundert. Die Anden. Machu Picchu. Die Quechua-Sprache. Inti, der Sonnengott.
Ich legte die Fotos nebeneinander. Starrte sie an. Ein paar Gehirnzellen spuckten einen Artikel aus, den ich vor vielleicht fünf Jahren gelesen hatte. Im National Geographic? Die Chiribaya, ein Prä-Inka-Stamm, der im Flusstal des Osmore lebte, etwa fünfhundert Meilen südöstlich von Lima. Die Chiribaya hatten ihre Toten zusammen mit ihren Hunden bestattet.
Ich fuhr meinen Laptop hoch, öffnete Google und gab ein paar Schlüsselbegriffe ein. Peru. Hunde. Mumien.
Ja. Die Chiribaya begruben ihre Hunde zwischen den Gräbern ihrer Lieben. Einige mit Decken und Essen für die lange Reise ins Jenseits.
Jetzt verstand ich, was in diesem Fall von mir verlangt wurde. Ich sollte sicherstellen, dass sich in den Bündeln keine menschlichen Überreste befanden.
Nach unserer Anschlagtafel waren die Hunde bereits hier. Ich hätte einfach über den Gang gehen und sie auspacken können.
Ich tat es nicht.
Meine Gedanken wanderten immer wieder zu dem Fahrerfluchtopfer, das jetzt unter Larabees Skalpell lag.
Mein Blick fiel auf das Foto, das direkt vor mir lag, auf etwas Weißes, das unter der aufgerollten Lippe des Hundes zu sehen war. Ein Zahn. Nach Jahrhunderten noch immer perfekt.
Im Gegensatz zu den Zähnen unserer jungen Unbekannten.
Ich schob die Fotos zusammen und schloss die Akte.
Saß einen Augenblick nur da.
Schlug die Akte wieder auf.
Suchte einen Namen.
Griff zum Telefon und wählte.
6
»United States Immigration and Customs Enforcement. Wohin darf ich Ihren Anruf weiterleiten?«
Ich fragte nach Luther Dew, den Beamten, der den Fall der mumifizierten Hunde bearbeitete.
ICE bietet Anrufern in der Warteschleife keine Musik an. Gelangweilt und erregt, wie ich war, fing ich in Gedanken an, »Welche Songs würden passen?« zu spielen. Ricky Nelsons Travlin’ Man? Neil Diamonds Coming to America? Merle Haggards Movin’ on?
Eine Automatenstimme unterbrach das Spiel.
»Special Agent Dew kann Ihren Anruf im Augenblick nicht entgegennehmen. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Piepton.«
Ich hinterließ eine Nachricht.
Schaute auf die Uhr. Es war schon fast halb sechs. Um eine travelin’ woman, eine reisende Frau, zu sein, brauchte ich mein Auto.
Ich öffnete noch einmal die Akte und starrte das Foto des ausgewickelten Hundes an. Wie nannte man die Rasse? Chiribayische Schäferhunde? Für mich sah er aus wie ein schlafender Spaniel.
Mein Blick wanderte zum Telefon, als könnte ich es zum Klingeln zwingen.
Was es nicht tat. Natürlich nicht.
Meine Gedanken kehrten wieder zu der Unbekannten zurück, die Larabees Tisch vermutlich eben verlassen hatte.
Hatte ich etwas übersehen?
Bevor ich darüber nachdenken konnte, kreischte der Festnetzanschluss seinen Feierabend-Klingelton.
»Dr. Brennan?«
»Am Apparat.«
»Hier Luther Dew. Sie erwarten meinen Rückruf.« Die Stimme klang hoch und etwas weibisch. Ich stellte mir Truman Capote mit Fliege und Fedora-Hut vor.
»Vielen Dank, dass Sie mich so schnell zurückrufen.«
Unverbindliches Schweigen.
»Ich gehöre zum Büro des Medical Examiner.«
»Ja. Ich habe eben diese Nummer gewählt.«
»Ich bearbeite die peruanischen Bündel.«
»Sie sind die Anthropologin?«
»Ja.« So kurz angebunden wie Dew konnte ich auch sein. »Ich habe mich gefragt, ob ich vielleicht ein bisschen Hintergrundwissen zu dem Fall bekommen könnte. Über Dominick Rockett, den Importeur.«
Dew ließ ein leicht gereiztes Zungenschnalzen hören.
»Sir?«
»Importeure sind legal und halten sich an die amerikanischen Zollvorschriften. Ihre Papiere sind in Ordnung. Sie führen nur ein, was erlaubt ist. Nichts davon trifft in Bezug auf diese Artefakte auf Mr. Rockett zu.«
Auf diese Artefakte?
»Hatte Ihre Behörde schon des Öfteren mit Rockett zu tun?«
»Das darf ich Ihnen nicht sagen.«
Na schön.
Aber ich hatte Dew nicht angerufen, um über Schmuggel zu reden. Seine peruanischen Hunde sah ich lediglich als Türöffner, als Mittel, ihm zu entlocken, was ich wirklich von ihm wissen wollte.
»Können Sie mir über Rockett irgendetwas sagen?«
»Details einer laufenden Ermittlung darf
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