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Totengeld

Totengeld

Titel: Totengeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Entstellungen nirgendwo mehr Arbeit bekam. Das glaubt er zumindest.«
    Ich hörte weiter einfach zu.
    »Er fand also keine Arbeit. Er war frustriert. Dann erinnerte Mr. Rockett sich an die Suks des Mittleren Ostens, die Waren, die man dort für so gut wie nichts bekam. Schmuck. Kleidung. Haushaltswaren. Er legte sich einen Plan zurecht. In Übersee einkaufen, in den Staaten fürs Zehnfache verkaufen. Plunder für die Ahnungslosen.«
    »Bekommt Mr. Rockett denn keine Militär-und Versehrtenrente?«
    »Natürlich. Aber sein Importgeschäft bringt ihm einen hübschen Zuschuss.«
    »Aber die Mumienbündel kamen aus Peru.«
    »Irgendwann verlegte Mr. Rockett sein Augenmerk auf Südamerika.«
    »Warum?«
    »Geografische Nähe? Leichtere Durchführbarkeit? Persönliche Sicherheit?« Ich hörte Stoff rascheln, vielleicht makellos bekleidete Schultern beim Achselzucken. »Das kann ich wirklich nicht beurteilen.«
    »Amerikaner sind heutzutage im Nahen Osten nicht mehr sehr beliebt.«
    »Aufstände, Revolutionen, Bürgerkriege, Entführungen. Politische Instabilität hat immer negative Auswirkungen auf geschäftliche Unternehmungen. Vielleicht hat der Aufruhr im Nahen Osten Südamerika attraktiver gemacht.«
    »Darf ich Sie was fragen?« Beiläufig, als wäre mir dieser Gedanke eben erst gekommen. »Ich habe hier ein Mädchen, vierzehn bis fünfzehn Jahre alt, möglicherweise Latina, möglicherweise illegal. Sie wurde gestern Nacht bei einem Unfall mit Fahrerflucht auf der Old Pineville Road getötet. Wir haben Schwierigkeiten, sie zu identifizieren.«
    »Reden Sie weiter.«
    »Sie hatte eine pinkfarbene Kätzchentasche und eine ebensolche Haarspange und trug einen kurzen Jeansrock, eine rote Bluse und bestickte Stiefel.«
    »Klingt wie irgendein Teenager. Wie kommen Sie darauf, dass sie illegal sein könnte?«
    »Sie hatte in ihrer Handtasche einen Zettel über Englischkurse an einer örtlichen katholischen Kirche. Die Notiz war auf Spanisch, und diese Pfarrei hält auch Messen in Spanisch ab. Das und die Tatsache, dass sie keinerlei Ausweise und keine Schlüssel hatte, bringt den Chefermittler zu der Vermutung, dass sie Latina sein könnte.«
    »Tut mir leid, aber ich beschäftige mich mit Artefakten, nicht mit Menschen. Meine Spezialgebiete sind die illegale Einfuhr und Verbreitung kulturellen Eigentums und der illegale Handel mit Kunstwerken. Außerdem wäre, wenn der illegale Status des Mädchens nicht eindeutig festgestellt ist, das ICE gar nicht zuständig.«
    »Haben Sie einen Kollegen, den ich fragen könnte?«
    »Ich würde Ihnen helfen, wenn ich könnte. Aber solange Sie nicht wissen, ob Ihr Opfer wirklich illegal … Und auch dann …« Dew klang abgelenkt. »Es ist ja nicht so, dass wir eine Liste mit allen Personen haben, die das Land illegal betreten. Eher im Gegenteil. Tut mir leid.«
    »Natürlich.«
    »Wann können Sie Ihre Untersuchung der Mumienbündel abgeschlossen haben?«
    »Bald.«
    »Bitte halten Sie mich auf dem Laufenden.«
    »Das werde ich tun. Und vielen Dank für Ihre Zeit, Special Agent Dew.«
    Meine Finger zögerten über dem aufgelegten Hörer.
    Und meine Nerven vibrierten vor Frustration.
    Dew war eine Sackgasse. Slidell hatte sich auf eine Theorie versteift.
    Zeit für den Feierabend. Nach einem so lausigen Tag.
    Wieder dieser nagende Gedanke. Hatte ich etwas übersehen?
    Ohne eine bewusste Entscheidung zu treffen, ging ich zum Kühlraum. In der Stille quietschten meine Gummisohlen leise. Kalte Luft drang heraus, als ich die schwere Stahltür öffnete, und hüllte mich mit dem Geruch gefrorenen Fleisches ein. Ich schaltete das Licht an.
    Sechs Rollbahren standen an den Wänden, drei davon mit gefüllten Leichensäcken. Ich schaute auf die Etiketten, bis ich das mit der Beschriftung MCME 580-13. Unbekannt gefunden hatte.
    Ich war froh, dass kein Verwandter diese kalte Gruft je sah. Keine Mutter sah je ihr Kind steif von der Kälte. Kein Ehemann sah je seine Frau mit Ziffern und Buchstaben beschriftet.
    Ich schluckte. Zog den Reißverschluss von MCME 580-13 halb auf.
    Die Haare des Mädchens lagen auf seiner Stirn wie Algen, gelblich und verknäuelt. Das passte irgendwie nicht zu ihrer olivfarbenen Haut und den dunklen Wimpern und Brauen. Ich schaute mir die Haarwurzeln genauer an. Und bemerkte einen halben Zentimeter Schwarz an ihrer Kopfhaut.
    Die Haare des Mädchens waren gebleicht. Könnte Slidell recht haben?
    Aus einem Reflex heraus wischte ich dem Mädchen lose Strähnen aus dem Gesicht.

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