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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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immer«, sagte Abby. Ihre Stimme hatte einen hellen, fassungslosen Klang. »Einfach so weitermachen, für immer. So tun, als wäre nichts geschehen.«
    »Ich sehe keine andere Möglichkeit für uns«, sagte Daniel. »Du etwa?«
    »Herrgott, Daniel!« Abby fuhr sich mit den Händen durchs Haar, Kopf in den Nacken, helles Aufblitzen des Halses. »Das soll eine Möglichkeit sein? Das ist Irrsinn. Ist das wirklich dein Ernst? Du willst, dass wir den Rest unseres Lebens so weitermachen?«
    Daniel wandte sich ihr zu und sah sie an. Ich konnte nur seinen Hinterkopf sehen. »In einer idealen Welt«, sagte er sanft, »nein. Ich hätte manches gern anders, vieles.«
    »Meine Güte«, sagte Abby und rieb sich die Augenbrauen, als bahnten sich bei ihr Kopfschmerzen an. »Fang bloß nicht so an.«
    »Man kann nicht alles haben, weißt du«, sagte Daniel. »Wir wussten gleich am Anfang, als wir beschlossen haben, hier zu leben, dass das nicht ohne Opfer abgehen würde. Damit haben wir gerechnet.«
    »Opfer ja«, sagte Abby. »Das hier nein. Das hab ich nicht kommen sehen, Daniel, nein. Nichts davon.«
    »Nein?«, fragte Daniel überrascht. »Ich schon.«
    Abbys Kopf fuhr herum, und sie starrte ihn an. »Was? Ach, hör doch auf. Das hier hast du kommen sehen? Lexie, und –«
    »Na ja, Lexie nicht«, sagte Daniel. »Wohl kaum. Obwohl, vielleicht … « Er brach ab, seufzte. »Aber den ganzen Rest: Ja, den hab ich durchaus für möglich gehalten. Die menschliche Natur ist nun mal, wie sie ist. Ich dachte, du hättest das zumindest in Betracht gezogen.«
    Niemand hatte mir erzählt, dass es noch mehr gab, geschweige denn Opfer. Ich merkte, wie mir schwindelig wurde, weil ich schon so lange die Luft anhielt. Ich atmete vorsichtig aus.
    »Nein«, sagte Abby müde in den Himmel. »Vielleicht bin ich ja naiv.«
    »Das würde ich nie behaupten«, sagte Daniel und lächelte wehmütig Richtung Garten. »Ich bin nun wahrhaftig der Letzte, der das Recht hat, dir vorzuwerfen, das Offensichtliche übersehen zu haben.« Er nahm einen Schluck von seinem Drink – ein blass bernsteinfarbenes Glitzern, als er das Glas hob –, und in diesem Moment erkannte ich etwas, sah es in seinen hängenden Schultern und in der Art, wie sich seine Augen schlossen, als er schluckte. Die vier waren für mich sicher und geborgen in ihrer verzauberten Festung gewesen, mit allem, was sie sich wünschten, zum Greifen nah. Diese Vorstellung hatte mir gefallen, sehr gefallen. Aber irgendetwas hatte Abby unvorbereitet getroffen, und aus irgendeinem Grund gewöhnte Daniel sich daran, schrecklich unglücklich zu sein, immerzu.
    »Was für einen Eindruck hast du von Lexie?«, fragte er.
    Abby nahm eine von Daniels Zigaretten und schnippte heftig mit dem Feuerzeug. »Einen ganz guten. Sie ist ein bisschen still, und sie hat abgenommen, aber damit war ja wohl zu rechnen.«
    »Meinst du, es geht ihr gut?«
    »Sie isst. Sie nimmt ihre Antibiotika.«
    »Das hab ich nicht gemeint.«
    »Ich glaube nicht, dass du dir um Lexie Sorgen machen musst«, sagte Abby. »Sie kommt mir ziemlich gelassen vor. Soweit ich das beurteilen kann, hat sie die ganze Sache im Prinzip vergessen.«
    »Genau das«, sagte Daniel, »gibt mir ja zu denken. Ich befürchte, dass sie alles in sich aufstaut und irgendwann explodiert. Und was dann?«
    Abby betrachtete ihn, Rauch kringelte sich langsam im Mondlicht. »In mancherlei Hinsicht«, sagte sie bedächtig, »wäre es vielleicht nicht das Ende der Welt, wenn Lexie tatsächlich explodieren würde.«
    Daniel dachte darüber nach, drehte versonnen sein Glas und blickte über den Rasen. »Das hängt stark davon ab, welche Form diese Explosion annimmt«, sagte er schließlich. »Ich glaube, wir sollten darauf vorbereitet sein.«
    »Lexie ist das kleinste unserer Probleme«, sagte Abby. »Justin – ich meine, das war doch klar, ich wusste, dass Justin Schwierigkeiten haben würde, aber er hält sich viel schlechter, als ich dachte. Und Rafe tut sein Übriges. Wenn er nicht bald aufhört, so ein Arschloch zu sein, weiß ich nicht, was … « Ich sah, wie sie die Lippen zusammenpresste und schluckte. »Und dann ist da noch was. Mir fällt es nicht gerade leicht hier, Daniel, und die Tatsache, dass dir das anscheinend scheißegal ist, trägt nicht dazu bei, dass ich mich besser fühle.«
    »Es ist mir nicht scheißegal«, sagte Daniel. »Ganz im Gegenteil. Ich dachte, das wüsstest du. Ich seh im Augenblick bloß nicht, was wir ändern könnten.«
    »Ich könnte

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