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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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an, als würdest du dich bei denen sauwohl fühlen.«
    Ich seufzte. »Ich Frau, Frank. Frauen Multitasker, will heißen, wir können mehrere Dinge gleichzeitig. Ich kann meine Arbeit machen und dabei Spaß haben.«
    »Schön für dich. Ich weiß nur eins, Undercoverarbeit plus Entspannung gleich Riesenproblem. Irgendwo da draußen ist ein Mörder, wahrscheinlich keine Meile von deiner jetzigen Position entfernt. Du sollst ihn aufspüren und nicht mit den Fantastischen Vier glückliche Familie spielen.«
    Glückliche Familie . Ich war davon ausgegangen, dass sie ihr Notizbuch versteckt hatte, damit keiner von ihren Verabredungen mit diesem ominösen N erfuhr. Aber jetzt: Sie hatte ein ganz anderes Geheimnis zu schützen. Wenn die anderen herausgefunden hätten, dass Lexie kurz davor war, sich aus ihrer eng verflochtenen Welt herauszuschneiden, sie abzustreifen, wie eine Libelle aus ihrer Larve schlüpft und bloß die vollkommene Form ihrer Abwesenheit zurücklässt, wären sie am Boden zerstört gewesen. Auf einmal war ich fast trunken vor Erleichterung, dass ich Frank nichts von dem Terminkalender erzählt hatte.
    »Ich bin ganz bei der Sache, Frank«, sagte ich.
    »Gut. Bleib das auch.« Papier wurde zusammengeknüllt – er hatte seinen Hamburger auf –, dann ein Klicken, als er auflegte.
    Ich war fast an meinem Beobachtungsposten. Abschnitte von Hecke und Gras und Erde erwachten im blassen Kreis des Taschenlampenstrahls zum Leben und waren im nächsten Moment verschwunden. Ich dachte an sie, wie sie wild denselben Weg entlanggelaufen war, wie derselbe schwache Lichtkreis heftig auf und ab wippte, die solide Tür zur Geborgenheit für immer in der Dunkelheit hinter ihr verloren und nichts vor ihr außer diesem kalten Cottage. Diese Farbstriche an der Wand in ihrem Zimmer: Sie hatte hier eine Zukunft geplant, in diesem Haus, mit diesen Menschen, genau bis zu dem Moment, als die Bombe platzte. Wir sind jetzt deine Familie , hatte Justin gesagt, sind füreinander die einzige Familie, die wir haben , und ich war lange genug in Whitethorn House gewesen, um eine Ahnung davon zu bekommen, wie ehrlich er das meinte und wie viel das bedeutete. Was zum Teufel , dachte ich, was zum Teufel konnte stark genug gewesen sein, das alles einfach hinwegzufegen?

    Jetzt, wo ich darauf achtete, zeigten sich immer mehr Risse. Ich hätte nicht sagen können, ob sie schon die ganze Zeit da gewesen waren oder ob sie sich vor meinen Augen auftaten. In derselben Nacht las ich noch im Bett, als ich draußen unter meinem Fenster Stimmen hörte.
    Rafe war schon vor mir ins Bett gegangen, und ich konnte hören, dass Justin sich unten fertig machte, um schlafen zu gehen – Summen, Rumhantieren, dann und wann ein unerklärliches Rumpeln. Blieben also noch Daniel und Abby. Ich ging am Fenster auf die Knie, hielt den Atem an und lauschte, aber sie waren drei Stockwerke tiefer, und über Justins gutgelaunten Oberton hinweg konnte ich nur leises, rasches Gemurmel hören.
    »Nein«, sagte Abby, lauter und frustriert. »Daniel, darum geht es doch gar nicht … « Ihre Stimme wurde wieder unhörbar. »Moooon river«, sang Justin vor sich hin und baute noch einen fröhlichen Schlenker mit ein.
    Ich tat, was neugierige Kinder seit Anbeginn der Zeit tun: Ich beschloss, mir ganz leise einen Schluck Wasser zu holen. Justin hörte nicht auf zu summen, als ich an seiner Tür vorbeischlich. Im Erdgeschoss war kein Licht mehr unter Rafes Tür. Ich tastete mich an den Wänden entlang und schlüpfte in die Küche. Die Terrassentür stand offen, nur eine Handbreit. Ich ging zur Spüle – langsam, nicht mal mein Schlafanzug raschelte – und hielt ein Glas unter den Hahn, bereit, das Wasser aufzudrehen, sobald mich jemand entdeckte.
    Sie waren in der Korbschaukel. Die Terrasse lag hell im Mondlicht. Sie konnten mich unmöglich sehen, hinter Glas in der dunklen Küche. Abby seitlich, den Rücken gegen die Armlehne gedrückt und die Füße auf Daniels Schoß. Er hielt ein Glas in einer Hand und hatte die andere entspannt über ihre Knöchel gelegt. Das Mondlicht strömte über Abbys Haar, malte die weiche Rundung ihrer Wange weiß und sammelte sich in den Falten von Daniels Hemd. Etwas Schnelles und Nadelfeines jagte durch mich hindurch, ein Schuss reiner, destillierter Schmerz. Rob und ich hatten oft noch spätnachts so zusammen auf meinem Sofa gesessen. Der Boden war eiskalt an meinen Füßen, und die Küche war so still, dass es mir in den Ohren weh tat.
    »Für

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