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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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gewesen zu sein, aber wie dem auch sei, ganz Glenskehy war entsetzt. Sie behandelten sie wie den letzten Dreck. Die herrschende Meinung war, dass sie in eine Wäscherei bei den Magdalenen gehörte. Aber ehe sie weggeschickt werden konnte, nahm sie sich den Strick.«
    Ein Windstoß durch die Bäume, Regentröpfchen auf bebenden Blättern.
    »Also«, sagte Sam nach einem Moment, »laut Simons Version tragen nicht die Marchs die Schuld am Tod der jungen Frau, sondern die verrückten Bauern aus dem Dorf.«
    Auf die jähe Wut, die in mir aufstieg, war ich nicht gefasst. Fast hätte ich ihn angeschnauzt. »William March ist auch nicht völlig ungeschoren davongekommen«, sagte ich und hörte die Aggression in meiner Stimme. »Er hatte eine Art Nervenzusammenbruch; Genaueres weiß ich nicht, aber er landete in einer Einrichtung, die sich stark nach Nervenklinik anhört. Und vielleicht war es noch nicht mal sein Kind.«
    Wieder Schweigen, diesmal länger. »Richtig«, sagte Sam. »Stimmt. Außerdem hab ich nicht vor, mich heute über irgendwas zu streiten. Dafür freu ich mich viel zu sehr darauf, dich wiederzusehen.«
    Ich schwöre, ich brauchte eine Sekunde, bis ich verstand, was er meinte. Ich war völlig auf meine Chance fixiert gewesen, diesen mysteriösen N zu sehen, und hatte gar nicht registriert, dass ich ja auch Sam sehen würde. »Keine zwölf Stunden mehr«, sagte ich. »Ich bin die Frau, die aussieht wie Lexie Madison und nichts anhat außer weißer Spitzenunterwäsche.«
    »Ah, quäl mich nicht«, sagte Sam. »Das Treffen ist rein beruflich«, aber als wir auflegten, konnte ich noch immer das Schmunzeln in seiner Stimme hören.

    Daniel saß in einem Sessel am Kamin und las T.S. Eliot, die anderen drei spielten Poker. »Uff«, sagte ich und ließ mich auf dem Kaminvorleger nieder. Der Griff meines Revolvers drückte genau unter meine Rippen, und ich versuchte nicht, das leise Aufstöhnen zu unterdrücken. »Wieso spielst du nicht mit? Du fliegst doch nie als Erster raus.«
    »Ich hab ihn fertiggemacht«, rief Abby herüber und hob ihr Weinglas.
    »Keine Häme bitte«, sagte Justin. Er klang, als würde er verlieren. »Die macht Menschen so unattraktiv.«
    »Hat sie aber wirklich«, sagte Daniel. »Sie blufft immer besser. Hast du wieder Schmerzen an der Naht?«
    Ein ganz kurzes Verharren am Tisch, wo Rafe gerade seinen Vorrat an Münzen durch die Finger gleiten ließ. »Bloß, weil ich dran denke«, sagte ich. »Ich hab morgen einen Kontrolltermin, damit die Ärzte mich noch ein bisschen mehr begrapschen können, um mir dann zu sagen, dass alles bestens ist, was ich sowieso schon weiß. Fährst du mich hin?«
    »Klar«, sagte Daniel und legte sein Buch auf den Schoß. »Wann?«
    »Zehn Uhr im Krankenhaus Wicklow. Ich nehm dann hinterher den Zug zur Uni.«
    »Aber du kannst doch da nicht allein hin«, sagte Justin. Er hatte sich auf seinem Platz umgedreht, dachte gar nicht mehr an Poker. »Ich kann dich hinfahren. Hab morgen sonst nichts vor. Ich komme mit, und dann fahren wir zusammen zur Uni.«
    Er klang ehrlich besorgt. Falls ich ihn nicht loswurde, hätte ich ein Problem. »Ich will aber nicht, dass einer mitkommt«, sagte ich. »Ich will da allein hin.«
    »Aber Krankenhäuser sind schrecklich. Und die lassen einen stundenlang warten, wie Vieh, eingepfercht in diesen grässlichen Wartezimmern –«
    Ich hielt den Kopf gesenkt und kramte in meiner Jackentasche nach Zigaretten. »Dann nehm ich mir eben ein Buch mit. Es reicht, wenn ich da hinmuss, da brauch ich nicht noch jemanden, der mir die ganze Zeit auf der Pelle hängt. Ich will das einfach bloß hinter mich bringen und vergessen, okay? Meinst du, du kannst damit leben?«
    »Es ist ihre Entscheidung«, sagte Daniel. »Sag Bescheid, falls du es dir doch noch anders überlegst, Lexie.«
    »Tausend Dank«, sagte ich. »Ich bin schon erwachsen, wisst ihr. Ich kann schon ganz allein zum Onkel Doktor.«
    Justin zuckte die Achseln und drehte sich wieder zum Tisch um. Ich wusste, dass ich seine Gefühle verletzt hatte, aber das war nicht zu ändern. Ich machte mir eine Zigarette an. Daniel reichte mir den Aschenbecher, der auf seiner Sessellehne gestanden hatte. »Rauchst du in letzter Zeit mehr?«, erkundigte er sich.
    Mein Gesicht war mit Sicherheit völlig ausdruckslos, aber mein Gehirn lief auf Hochtouren. Wenn überhaupt, hatte ich weniger geraucht, als ich hätte rauchen sollen – um die fünfzehn bis sechzehn am Tag, was die Mitte zwischen meinen

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