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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Güte«, sagte ich leise. Auf einmal kam das Zimmer mir kalt vor, kalt und zugig, als wäre hinter uns ein Fenster aufgestoßen worden.
    »Die haben sie wie eine Aussätzige behandelt, bis sie dran zerbrochen ist«, sagte Rafe. Er hatte ein nervöses kleines Zucken im Mundwinkel. »Und bis William einen Nervenzusammenbruch hatte und fortging. Dann ist Glenskehy also schon länger das reinste Irrenhaus.«
    Ich spürte ein leichtes Schaudern über Daniels Rücken laufen. »Das ist eine böse Geschichte. Wahrhaftig. Manchmal frage ich mich, ob ›keine Vergangenheit‹ nicht auch für das Haus gelten sollte. Obwohl … « Er schaute sich um, sah den Raum voller staubiger, abgenutzter Dinge, die in Fetzen hängende Tapete an der Wand, den dunkelfleckigen Spiegel im Flur, der unser Bild in Blautönen und Schatten durch die offene Tür zurückwarf. »Ich glaube nicht«, sagte er fast zu sich selbst, »dass das überhaupt möglich wäre.«
    Er klopfte die Ränder der Seiten bündig und legte den Packen sorgfältig wieder in die Kiste, schloss den Deckel. »Ich weiß nicht, wie ihr das seht«, sagte er, »aber ich habe für heute Abend genug. Gehen wir runter zu den anderen.«

    »Ich glaub, ich hab jedes Blatt Papier in diesem Lande gesehen, auf dem irgendwo der Name Glenskehy vorkommt«, sagte Sam, als ich ihn später anrief. Er klang kaputt und verschwommen – schreibtischmüde, den Tonfall kannte ich gut –, aber zufrieden. »Ich weiß jetzt viel mehr über das Dorf, als irgendwem guttut, und ich habe drei Typen, auf die dein Profil passt.«
    Ich hockte in meinem Baum, die Füße hochgezogen und gegen den Stamm gestützt. Das Gefühl, beobachtet zu werden, war inzwischen dermaßen stark geworden, dass ich mir tatsächlich wünschte, dieser Unbekannte würde mich überrumpeln, damit ich endlich wusste, woran ich war. Ich hatte Frank kein Wort davon erzählt, und erst recht nicht Sam. Soweit ich das einschätzen konnte, waren die wahrscheinlichsten Erklärungen meine blühende Phantasie, der Geist von Lexie Madison und ein mörderischer Stalker, dem es an Entschlusskraft mangelte, weshalb ich die Sache lieber noch für mich behielt. Tagsüber dachte ich meist, es sei meine Phantasie, vielleicht unterstützt von der hiesigen Tierwelt, aber nachts machte mir die Ungewissheit zu schaffen. »Bloß drei? Von vierhundert Leuten?«
    »Glenskehy stirbt aus«, sagte Sam lapidar. »Fast die Hälfte der Bevölkerung ist über fünfundsechzig. Sobald die jungen Leute alt genug sind, packen sie ihre Sachen und ziehen nach Dublin, Cork, Wicklow, irgendwohin, wo ein bisschen Leben herrscht. Die Einzigen, die hierbleiben, haben eine Farm oder irgendeinen Familienbetrieb, den sie weiterführen müssen. Es gibt weniger als dreißig Männer zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig. Ich hab alle ausgeschlossen, die auswärts arbeiten, keine Arbeit haben, allein leben oder tagsüber mal verschwinden könnten, wenn sie wollten. Am Ende sind drei übrig geblieben.«
    »Meine Güte«, sagte ich. Ich dachte an den alten Mann, der über eine leere Straße humpelte, die müden Häuser, wo sich nur eine einzige Gardine bewegt hatte.
    »Tja, die wunderbare Welt des Fortschritts. Aber wenigstens gibt es noch Arbeitsplätze, zu denen sie fahren können.« Papierrascheln. »Also, das sind meine drei Freunde. Declan Bannon, einunddreißig, bewirtschaftet außerhalb von Glenskehy mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern eine Farm. John Naylor, neunundzwanzig, lebt bei seinen Eltern im Dorf und arbeitet auf der Farm eines anderen. Und Michael McArdle, sechsundzwanzig, wohnt bei seinen Eltern und hat die Tagschicht an der Tankstelle auf der Straße nach Rathowen. Bei keinem irgendwelche bekannten Verbindungen zu Whitethorn House. Sagen dir die Namen irgendwas?«
    »Auf Anhieb nein«, sagte ich, »leider.« Und dann wäre ich fast vom Baum gefallen. »Ja klar«, sagte Sam abgeklärt, »wär ja auch zu schön, um wahr zu sein«, aber ich hörte ihn kaum. John Naylor: Endlich, und das wurde auch verdammt nochmal Zeit, hatte ich jemanden, der mit N anfing.
    »Zu wem tendierst du?«, fragte ich. Ich gab mir Mühe, mich nicht zu verhaspeln. Von allen Detectives, die ich kenne, kann Sam am besten so tun, als wäre ihm etwas entgangen. So was ist nützlicher, als man meinen sollte.
    »Ist noch zu früh zu sagen, aber vorläufig neige ich zu Bannon. Er ist der Einzige, der aktenkundig ist. Vor fünf Jahren haben zwei amerikanische Touristen eins von Bannons

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