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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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denn bloß los mit dir? Bist du etwa’n Schreibtischhengst geworden?«
    Mir war, als hätte er ausgeholt und mir in den Magen geschlagen. Ich blieb abrupt stehen und wandte mich ab, blickte über den Hang, weg von Frank und Sam und von den Uniformierten, die den Kopf drehten und ins Cottage spähten, um mein nasses totes Ich anzugaffen.
    Nach einem Moment sagte Frank hinter mir, sanfter: »Tschuldige, Cass. Ich hab einfach nicht damit gerechnet. Bei den Leuten vom Morddezernat, klar, aber doch nicht bei dir. Ich hätte nicht gedacht, dass du das ernst – Ich hab gedacht, du wolltest nur alles Wichtige abklären. Das war mir nicht klar.«
    Er klang ehrlich perplex. Ich wusste genau, dass das Taktik war, und ich hätte jedes Mittel aufzählen können, das er einsetzte, aber es spielte keine Rolle, weil er recht hatte. Fünf Jahre zuvor, ein Jahr zuvor, hätte ich mich um dieses tolle, unvergleichbare Abenteuer an seiner Seite gerissen, hätte längst in dem Cottage nachgesehen, ob die Tote Ohrlöcher hatte und wie sie den Scheitel trug. Ich blickte über die Felder und dachte sehr klar und distanziert, Was zum Teufel ist aus mir geworden?
    »Okay«, sagte ich schließlich. »Was ihr der Presse erzählt, ist nicht mein Problem. Das macht ihr zwei unter euch aus. Ich gehe das Wochenende über nicht vor die Tür. Aber, Frank, ich verspreche dir gar nichts. Egal, ob Sam einen Verdächtigen findet oder nicht. Das heißt also nicht, dass ich es mache. Ist das klar?«
    »So kenn ich dich«, sagte Frank. Ich konnte das Grinsen in seiner Stimme hören. »Einen Moment lang dachte ich, die Aliens hätten dir einen Chip ins Hirn gepflanzt.«
    »Leck mich, Frank«, sagte ich und drehte mich um. Sam sah nicht glücklich aus, aber darum konnte ich mir in dem Moment keine Gedanken machen. Ich musste weg und in Ruhe nachdenken.
    »Ich habe noch nicht ja gesagt«, sagte Sam.
    »Die Entscheidung liegt natürlich bei Ihnen«, sagte Frank. Er wirkte nicht sonderlich besorgt. Ich wusste, dass er es mit einem härteren Brocken zu tun haben könnte, als er ahnte. Sam ist ein umgänglicher Mensch, aber ab und an setzt er seine Grenzen, und wer dann versucht, seine Meinung zu ändern, könnte genauso gut versuchen, ein Haus aus dem Weg zu schieben. »Aber entscheiden Sie schnell. Wenn wir die Sache machen wollen, vorläufig jedenfalls, brauchen wir möglichst schnell einen Krankenwagen hier vor Ort.«
    »Gib mir Bescheid, wenn du dich entschieden hast«, sagte ich zu Sam. »Ich fahr nach Hause. Sehen wir uns heute Abend?«
    Franks Augenbrauen schossen hoch. Undercovercops haben eine ganz eigene, beeindruckende Gerüchteküche, aber sie halten sich meistens aus dem allgemeinen Klatsch und Tratsch raus, auf eine leicht ostentative Art, und Sam und ich hatten uns, was uns beide anging, ziemlich diskret verhalten. Frank warf mir einen belustigt vielsagenden Blick zu. Ich achtete nicht auf ihn.
    »Ich weiß nicht, wann ich heute fertig werde«, sagte Sam.
    Ich zuckte die Achseln. »Ich bin ja zu Hause.«
    »Bis bald, Kleines«, sagte Frank fröhlich, die nächste Zigarette im Mund, und winkte zum Abschied.
    Sam begleitete mich zurück über das Feld, so dicht neben mir, dass seine Schulter beschützend meine streifte. Mir schien, er wollte vermeiden, dass ich noch einmal allein an der Toten vorbeimusste. In Wirklichkeit hätte ich sie mir gern noch einmal angesehen, am liebsten allein und eine ganze, stille Weile lang, aber ich spürte Franks Augen im Rücken, daher wandte ich nicht einmal den Kopf, als wir am Cottage vorbeikamen.
    »Ich wollte dich vorwarnen«, sagte Sam unvermittelt. »Mackey war strikt dagegen, und ich konnte einfach keinen klaren Gedanken fassen … ich hätte es dir sagen sollen. Es tut mir leid.«
    Offenbar waren Frank, wie jedem anderen in meinem verdammten Universum, Gerüchte über die SOKO Vestalin und den Knocknaree-Fall zu Ohren gekommen. »Er wollte sehen, wie ich reagiere«, sagte ich. »Meine Nervenstärke testen. Und er weiß, wie er kriegt, was er will. Mach dir keine Gedanken.«
    »Dieser Mackey. Ist er ein guter Cop?«
    Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Eine Formulierung wie »guter Cop« geht uns nicht so ohne weiteres über die Lippen. Sie ist ungeheuer komplex, weil so viele Dinge hineinspielen, die bei jedem Beamten anders sein können. Ich war mir ganz und gar nicht sicher, ob Frank in Sams Definition hineinpasste oder gar, wenn ich es recht überlegte, in meine. »Er ist verdammt clever«,

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