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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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scheußliches Loch in der Magengrube. Frank, dieser kleine Arsch, hatte recht. Sobald die Zeitungen ein Foto der Frau mit der Bitte um sachdienliche Hinweise brachten, würde eine Flut von Leuten, die mich als Lexie, sie als Lexie, mich als mich kannten, wissen wollen, wer tot war und wer wir beide gewesen waren, wenn nicht Lexie Madison, und es gäbe ein gewaltiges spiegelkabinettartiges Chaos. Ob Sie’s glauben oder nicht, da erst wurde mir klar, dass die Sache nicht einfach aus der Welt zu schaffen war, indem ich sagte: Ich kenne sie nicht, ich will sie nicht kennen, danke für den vertanen Morgen, bis dann mal.
    »Sam«, sagte ich. »Kannst du mit der Veröffentlichung des Fotos vielleicht ein, zwei Tage warten? Nur bis ich ein paar Leute vorgewarnt habe.« Ich hatte keine Ahnung, wie ich das formulieren sollte. Weißt du, Tante Louisa, wir haben da eine tote Frau gefunden, und …
    »Apropos«, sagte Frank, »das passt interessanterweise wunderbar zu meiner kleinen Idee.« In einer Ecke des Feldes lagen ein paar moosbewachsene Felsbrocken herum. Frank zog sich rückwärts auf einen drauf, blieb sitzen und baumelte mit einem Bein.
    Ich kannte dieses Funkeln in seinen Augen. Es bedeutete stets, dass er gleich eindrucksvoll beiläufig mit etwas völlig Haarsträubendem herausrücken würde. »Was, Frank?«, sagte ich.
    »Na ja«, setzte Frank an, lehnte sich bequem gegen den Felsen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, »wir haben doch hier eine einmalige Gelegenheit, oder? Wäre jammerschade, die zu vertun.«
    »Ach ja?«, sagte Sam.
    »Wir?«, sagte ich.
    »Aber ja. Menschenskind, ja.« Das riskante Grinsen umspielte bereits Franks Mundwinkel. »Wir haben die Chance«, sagte er ganz gemächlich, »wir haben die Chance, die Ermittlung in einem Mordfall von innen heraus zu führen. Wir haben die Chance, eine erfahrene Undercoverbeamtin direkt mitten hinein in das Leben eines Mordopfers zu schicken.«
    Wir starrten ihn beide an.
    »Wann hast du so was schon mal erlebt? Es ist wunderbar, Cassie. Es ist absolut genial.«
    »Absolut bescheuert trifft es besser«, sagte ich. »Was zum Henker hast du vor, Frankie?«
    Frank breitete die Arme aus, als wäre es das Einleuchtendste von der Welt. »Also. Du warst schon einmal Lexie Madison, stimmt’s? Du kannst sie wieder sein. Du kannst – nein, warte, lass mich ausreden –, wenn sie nicht tot ist, bloß verletzt, ja? Du kannst schnurstracks zurück in ihr Leben spazieren und da weitermachen, wo sie aufgehört hat.«
    »Ach, du Schande«, sagte ich. »Deshalb keine Spurensicherung und keine Gerichtsmedizin? Deshalb sollte ich mich so dämlich verkleiden? Damit keiner merkt, dass du ein Double hast?« Ich zog mir die Mütze vom Kopf und stopfte sie zurück in den Rucksack. Das war selbst für Frank eine Blitzreaktion gewesen. Binnen Sekunden nach Eintreffen vor Ort musste ihm die Idee gekommen sein.
    »Du kriegst Zugang zu Informationen, die kein Cop je bekommen würde, du kannst ganz dicht an jeden ran, dem sie nah war, du kannst Verdächtige identifizieren –«
    »Sie wollen sie als Lockvogel benutzen«, sagte Sam allzu ruhig.
    »Ich will sie als Detective benutzen, Mann«, sagte Frank. »Was sie schließlich auch ist, wenn ich mich nicht irre.«
    »Sie wollen sie da reinschicken, damit der Täter zurückkommt und die Sache endgültig zu Ende bringt. Das nenne ich einen Lockvogel.«
    »Na und? Alle Undercovercops sind Lockvögel. Ich verlange nichts von ihr, was ich nicht selbst machen würde, ohne eine Sekunde zu zögern, wenn –«
    »Nein«, sagte Sam. »Kommt nicht in Frage.«
    Frank hob eine Augenbraue. »Was sind Sie, Ihre Ma?«
    »Ich bin der leitende Ermittler in diesem Fall, und ich sage, kommt nicht in Frage.«
    »Vielleicht sollten Sie doch lieber noch ein bisschen länger darüber nachdenken, ehe Sie –«
    Es war, als wäre ich gar nicht vorhanden. »Hallo?«, sagte ich.
    Sie drehten sich um und starrten mich an. »’tschuldige«, sagte Sam, irgendwo zwischen verlegen und trotzig.
    »Hi«, sagte Frank und grinste mich an.
    »Frank«, sagte ich, »das ist offiziell die irrsinnigste Idee, die ich je in meinem Leben gehört habe. Du bist nicht ganz dicht. Du hast nicht mehr alle Tassen im Schrank. Du bist –«
    »Was ist daran irrsinnig?«, fragte Frank gekränkt.
    »Herrgott«, sagte ich. Ich fuhr mir mit den Händen durchs Haar und drehte mich einmal im Kreis, während ich überlegte, wo ich anfangen sollte. Hügel, Felder, weggetretene

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