Totengleich
Dorfpolizisten, Cottage mit toter Frau: Das war kein beschissener Traum. »Okay, erstens, es ist unmöglich. Ich hab noch nie von irgendwas Vergleichbarem auch nur gehört .«
»Aber das ist ja gerade das Schöne an der Sache«, erklärte Frank.
»Wenn du als jemand, der wirklich existiert, undercover gehst, dann höchstens für eine halbe Stunde, und dann, um etwas ganz Bestimmtes zu tun. Zum Beispiel eine Übergabe oder eine Abholung oder so was, von einem Fremden . Du redest davon, dass ich mitten in das Leben dieser Frau springen soll, bloß weil ich ihr ein bisschen ähnlich sehe –«
»Ein bisschen ?«
»Weißt du überhaupt, welche Farbe ihre Augen haben? Was, wenn sie blau sind oder –?«
»Du könntest mir mehr zutrauen, Kleines. Sie sind braun.«
»Oder was, wenn sie Computer programmiert oder Tennis spielt? Was, wenn sie Linkshänderin ist? Es ist einfach nicht machbar. Ich würde in weniger als einer Stunde auffliegen.«
Frank zog eine zerdrückte Schachtel Zigaretten aus seiner Jackentasche und fischte eine heraus. Er hatte wieder dieses Funkeln in den Augen. Er liebt Herausforderungen. »Ich habe volles Vertrauen in dich. Willst du eine?«
»Nein«, sagte ich, obwohl ich Lust auf eine Zigarette hatte. Ich konnte nicht stillstehen, tigerte auf dem Stück hohem Gras zwischen uns auf und ab und im Kreis. Ich kann sie nicht mal leiden , wollte ich sagen, was weder Hand noch Fuß hatte.
Frank zuckte die Achseln und zündete seine Zigarette an. »Die Frage, ob es möglich ist, kannst du mir überlassen. Vielleicht nicht, zugegeben, aber das finde ich noch raus. Was noch?«
Sam blickte woandershin, die Hände tief in den Taschen vergraben, überließ mir die Sache. »Ich finde«, sagte ich, »das Ganze absolut unmoralisch. Die junge Frau hat ganz bestimmt Eltern, Freunde. Willst du denen etwa erzählen, sie ist wohlauf und muss nur ein bisschen genäht werden, während sie auf einem Tisch in der Pathologie liegt und von Cooper aufgeschnitten wird? Herrgott, Frank.«
»Sie lebt unter einem falschen Namen, Cass«, sagte Frank vernünftigerweise. »Glaubst du wirklich, sie hat Kontakt zu ihren Eltern? Bis wir die aufgespürt haben, ist die Sache vorbei. Sie werden den Unterschied nie erfahren.«
»Und was ist mit ihren Mitbewohnern? Die Polizisten haben gesagt, sie lebt nicht allein. Was, wenn sie einen Freund hat?«
»Die Leute, denen was an ihr liegt«, sagte Frank, »werden wollen, dass wir denjenigen finden, der ihr das angetan hat. Um jeden Preis. Ich würde das jedenfalls wollen.« Er pustete Rauch gen Himmel.
Sams Schultern bewegten sich. Er hielt Frank bloß für einen Wichtigtuer. Aber Sam hat keine Undercovererfahrung, er konnte es nicht wissen: Undercovercops sind anders. Sie würden einfach alles tun, selbst wenn es auf ihre Kosten oder die eines anderen geht, um eine Zielperson dingfest zu machen. Sich mit Frank deshalb anzulegen war müßig, weil es ihm vollkommen ernst war mit seiner Behauptung: Wenn sein Kind ermordet würde und jemand würde es ihm verschweigen, um den Täter zu schnappen, würde er das widerspruchslos hinnehmen. Einer der stärksten Reize der Undercoverarbeit ist die Rücksichtslosigkeit, das Fehlen von Grenzen; starker Tobak, so stark, dass es dir den Atem verschlägt. Das ist einer der Gründe, warum ich damit aufgehört habe.
»Und was dann?«, sagte ich. »Wenn es vorbei ist. Sagst du ihnen dann, ›Ach, übrigens, was wir noch sagen wollten, das ist eine Doppelgängerin. Eure Freundin ist vor drei Wochen gestorben‹? Oder spiele ich weiter Lexie Madison, bis ich an Altersschwäche sterbe?«
Frank blinzelte in die Sonne, während er darüber nachdachte. »Deine Wunde kann sich infizieren«, sagte er, und seine Miene hellte sich auf. »Du kommst auf die Intensivstation, und die Ärzte versuchen alles, was die moderne Medizin zu bieten hat, aber vergeblich.«
»Du hast sie nicht alle«, sagte ich. Ich hatte das Gefühl, den ganzen Morgen nichts anderes gesagt zu haben. »Wieso in aller Welt bis du nur so überzeugt von deiner Idee?«
»Nächster Einwand«, sagte Frank. »Na los, lass hören.«
»Der nächste Einwand«, sagte Sam, der noch immer den Weg hinunterblickte, »es ist verdammt gefährlich.«
Frank zog eine Augenbraue hoch, neigte den Kopf in Sams Richtung und schenkte mir ein verschmitztes, vertrauliches Grinsen. Eine fahrlässige Sekunde lange musste ich mich bremsen, nicht zurückzugrinsen.
»Nächster Einwand«, sagte ich, »es ist ohnehin
Weitere Kostenlose Bücher