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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Habgier … Sie hatte Geld gebraucht, schnell, und ein reicher Typ wie Ned wäre ein wesentlich zahlungskräftigerer Käufer gewesen als John Naylor mit seinem mickrigen Landarbeiterlohn. Falls sie sich mit Ned getroffen hatte, um zu besprechen, welche Sachen er aus Whitethorn House haben wollte, wie viel er bereit war zu zahlen, und dann war irgendwas schiefgelaufen …
    Es war eine sehr seltsame Nacht: riesig und dunkel und stürmisch, Windböen, die über die Felder tosten, eine Million hoher Sterne und kein Mond. Ich schob den Revolver zurück in den Hüfthalter, kletterte auf meinen Baum und hockte eine ganze Weile da oben, beobachtete das schattenhafte dunkle Wogen der Büsche unter mir, lauschte angestrengt auf irgendwelche schwachen Laute, die nicht hierhergehörten. Dachte daran, Sam anzurufen.
    Letzten Endes rief ich Frank an. »Naylor ist noch nicht wieder aufgetaucht«, sagte er grußlos. »Passt du auch gut auf?«
    »Ja«, sagte ich. »Keine Spur von ihm.«
    »Gut, gut.« Seine Stimme hatte einen abgelenkten Beiklang, der mir verriet, dass auch er an etwas anderes dachte als an Naylor. »Schön. In der Zwischenzeit hab ich was, das dich interessieren könnte. Deine neuen Busenfreunde haben doch heute Nachmittag so nett über Vetter Eddie und seine Luxuswohnungen hergezogen.«
    Ein Ruck fuhr durch meinen Körper, weckte alle Muskeln, bis mir wieder einfiel, dass Frank ja nichts von N wusste. »Allerdings«, sagte ich. »Vetter Eddie scheint das reinste Juwel zu sein.«
    »Allerdings. Ein lupenreiner, hirntoter Yuppie-Arsch, der in seinem Leben noch keinen Gedanken gefasst hat, der nicht entweder mit seinem Schwanz oder seiner Brieftasche zu tun hat.«
    »Meinst du, Rafe liegt richtig damit, dass er Naylor angeheuert hat?«
    »Niemals. Eddie verkehrt nicht mit dem gemeinen Volk. Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als er meinen Dubliner Einschlag gehört hat. Ich glaube, er hatte Angst, ich würde ihn ausrauben. Aber heute Nachmittag ist mir was eingefallen. Weißt du noch, dass du gesagt hast, die Fantastischen Vier wären irgendwie komisch, was das Haus angeht? So stark daran gebunden?«
    »Ach so«, sagte ich, »ja.« Ehrlich gesagt, ich hatte es beinahe vergessen. »Ich glaub, da hab ich übertrieben. Wenn man so viel Arbeit in ein Haus steckt, dann wird es einem immer wichtiger. Und es ist ein schönes Haus.«
    »Oh ja, das ist es«, sagte Frank. In seinem Tonfall lag etwas, das meine Alarmglocken sacht in Bewegung setzte, ein breites, süffisantes Grinsen. »Kann man wohl sagen. Ich hab mich heute gelangweilt – Naylor ist noch immer untergetaucht, und ich komm bei Lexie-May-Ruth-Großfürstin-Anastasia-Dingsbums einfach nicht weiter. Bis jetzt hab ich in vierzehn Ländern Nieten gezogen, und allmählich halte ich es für möglich, dass sie 1997 von verrückten Wissenschaftlern im Labor gezüchtet worden ist. Also hab ich, nur um meiner guten alten Cassie zu beweisen, dass ich ihren Instinkten traue, einen Kumpel von mir angerufen, der im Grundbuchamt arbeitet, und hab ihn um Informationen zu Whitethorn House gebeten. Wer hat dich lieb, Kleines?«
    »Du«, sagte ich. Frank hatte schon immer ein imposantes Spektrum von Freunden an den unwahrscheinlichsten Stellen: mein Kumpel unten an den Docks, mein Kumpel im Stadtrat, mein Kumpel mit dem SM-Laden. Damals, als wir diese ganze Lexie-Madison-Geschichte aus der Taufe gehoben hatten, sorgte Mein Kumpel vom Standesamt dafür, dass ich offiziell eingetragen wurde, nur für den Fall, dass irgendwer misstrauisch geworden wäre und angefangen hätte herumzuschnüffeln. Derweil half mir Mein Kumpel mit dem Lieferwagen, in Lexies Studentenbude einzuziehen. Ich will gar nicht wissen, was für ein kompliziertes Eine-Hand-wäscht-die-andere-System dahintersteckt. »Das solltest du auch, nach alldem hier. Und?«
    »Und du hast auch gesagt, alle tun so, als würde ihnen das Haus gehören, weißt du noch?«
    »Ja. Kann sein.«
    »Dein Instinkt hat den Hauptgewinn gezogen, Kleines. Es ist tatsächlich ihr Haus. Und deins übrigens auch.«
    »Drück dich endlich klar aus, Frank«, sagte ich. Mein Herz pochte laut und langsam, und ein seltsamer dunkler Schauer lief durch die Hecken: Irgendetwas bahnte sich an. »Worum geht’s?«
    »Das Testament vom alten Simon wurde vollstreckt, und Daniel wurde am zehnten September Besitzer des Hauses. Am fünfzehnten Dezember wurde das Haus auf insgesamt fünf Namen überschrieben: Raphael Hyland, Alexandra Madison, Justin

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