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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Arbeit und der Geruch nach Farbe, Ragtime als Hintergrundmusik, die klammheimliche Freude, die Uni zu schwänzen, und das Haus, das sich wie eine zufriedene Katze unter all der Aufmerksamkeit rekelte: Genau das hatten wir gebraucht. Als wir mit dem Raum fertig waren, sah Rafe eher kleinlaut als streitlustig aus, Abby und Justin waren entspannt genug, um eine lange friedliche Diskussion darüber zu führen, ob Scott Joplin grottenschlecht war, und unser aller Stimmung hatte sich erheblich aufgehellt.
    »Ich darf zuerst unter die Dusche«, sagte ich.
    »Lass Rafe den Vortritt«, sagte Abby. »Immer der, der’s am nötigsten hat.« Rafe streckte ihr die Zunge raus. Wir lagen ausgestreckt auf den Abdecklaken, bewunderten unsere Arbeit und versuchten, die Energie aufzubringen, uns von der Stelle zu bewegen.
    »Wenn alles getrocknet ist«, sagte Daniel, »müssen wir entscheiden, ob wir was an die Wände hängen, und wenn ja, was.«
    »Ich hab oben in einem der Gästezimmer so richtig alte Blechschilder gesehen«, sagte Abby.
    »Ich wohne nicht in einem Achtziger-Pub«, sagte Rafe. Er war inzwischen nüchtern, oder aber wir anderen waren von den Farbdämpfen so high, dass wir das glaubten. »Gibt’s keine Gemälde oder irgendwas Normales?«
    »Die noch da sind, sind alle scheußlich«, sagte Daniel. Er lehnte mit dem Rücken an der Sofakante, weiße Farbspritzer im Haar und auf seinem alten karierten Hemd, und sah so glücklich und entspannt aus, wie ich ihn seit Tagen nicht mehr erlebt hatte. »›Landschaft mit röhrendem Hirsch‹ und so, und noch nicht mal besonders gut gemacht. Irgendeine Urgroßtante mit künstlerischen Ambitionen, glaub ich.«
    »Du hast kein Herz«, sagte Abby zu ihm. »Dinge mit sentimentalem Wert dürfen nicht auch noch einen künstlerischen Wert haben. Sie müssen schauerlich sein. Ansonsten ist es reine Angeberei.«
    »Wir könnten die alten Zeitungen nehmen«, sagte ich. Ich lag flach auf dem Rücken mitten im Raum und reckte die Beine in die Luft, um die frischen Farbspritzer auf Lexies Blaumann zu inspizieren. »Die ganz alten, mit dem Artikel über die Dionne-Fünflinge und mit der Anzeige für das Zeug, von dem man zunimmt. Wir könnten sie auf die Wände verteilen und dann versiegeln, wie die Fotos an Justins Tür.«
    »Die sind in meinem Schlafzimmer«, sagte Justin. »Ein Wohnzimmer sollte Eleganz haben. Würde. Keine Anzeigen.«
    »Wisst ihr was?«, sagte Rafe aus heiterem Himmel und stützte sich auf einen Ellbogen. »Ich muss mich bei euch entschuldigen. Ich hätte nicht einfach so verschwinden sollen, ohne euch Bescheid zu sagen. Meine einzige Entschuldigung, und das ist keine besonders gute, ist die, dass ich stinksauer war, weil dieser Kerl ungestraft davonkommt. Es tut mir leid.«
    Er zeigte sich von seiner charmantesten Seite, und Rafe konnte richtig charmant sein, wenn er wollte. Daniel nickte ihm kurz und ernst zu. »Du bist ein Idiot«, sagte er, »aber wir lieben dich trotzdem.«
    »Du bist ganz in Ordnung«, sagte Abby, während sie sich nach ihren Zigaretten auf dem Kartentisch reckte. »Ich find’s auch nicht besonders toll, dass der Kerl wieder frei rumläuft.«
    »Wisst ihr, was ich mich frage?«, sagte Rafe. »Ich frage mich, ob Ned ihn angeheuert hat, um uns zu verjagen.«
    Einen Moment lang herrschte absolute Stille, Abbys Hand verharrte mit der Zigarette halb aus der Packung, Justin, der sich gerade aufsetzen wollte, erstarrte mitten in der Bewegung.
    Daniel schnaubte. »Ich bezweifle ernsthaft, dass Ned die Intelligenz für etwas so Komplexes besitzt«, sagte er spitzzüngig.
    Ich hatte schon den Mund geöffnet, um zu fragen: Wer ist Ned? , ihn aber schnell wieder geschlossen. Nicht bloß, weil ich das natürlich hätte wissen müssen, sondern weil ich es wusste. Ich hätte mich in den Hintern beißen können, dass ich nicht schon früher darauf gekommen war. Frank erfindet immer irgendwelche Spitznamen für Leute, die er nicht leiden kann – Danny-Boy, unser Sammy –, und ich Vollidiotin war gar nicht auf die Idee gekommen, dass er falsch getippt haben könnte. Sie sprachen über den doofen Eddie. Der doofe Eddie, der nachts über die Feldwege gestreift war und nach jemandem gesucht hatte, Eddie, der behauptet hatte, Lexie nie begegnet zu sein, war N. Ich war sicher, dass Frank mein Herzklopfen über das Mikro hören konnte.
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte Rafe, stützte sich auf beide Ellbogen und betrachtete die Wände. »Wenn wir hier alles fertig

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