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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Mannering, Daniel March und Abigail Stone. Frohe Weihnachten.«
    Zuallererst schockierte mich der pure flammende Mut: Wie viel leidenschaftliches Vertrauen musst du haben, um deine Zukunft so total deinen Hoffnungen anzuvertrauen, keine halben Sachen, sie zu nehmen und so bewusst, so vorbehaltlos in die Hände der Menschen zu legen, die du liebst. Ich dachte an Daniel am Tisch, breitschultrig und gediegen in seinem frischen weißen Hemd, das präzise Beugen des Handgelenks, wenn er eine Seite umblätterte. An Abby, im Bademantel, wie sie Speckstreifen in der Pfanne wendete, Justin, der grottenfalsch vor sich hin sang, während er sich bettfertig machte, Rafe, ausgestreckt auf dem Rasen, in die Sonne blinzelnd. Und die ganze Zeit, unter alldem, das. Ich hatte sie schon zuvor in gewissen Augenblicken beneidet, aber das hier war zu tief für Neid; das hier verdiente beinahe Ehrfurcht.
    Dann begriff ich. N, Flugpreise, Nur über meine Leiche kriegt Ned eine Chance . Und ich hatte mich mit Spieldosen und Bleisoldaten abgegeben und überlegt, wie viel ein normales Familienfotoalbum wohl einbringen mochte, hatte geglaubt, diesmal hätte sie nichts zu verkaufen gehabt.
    Falls sie mit Ned verhandelt hatte und die anderen dahintergekommen waren: heilige Scheiße. Kein Wunder, dass sein Name den Raum zu Eis hatte gefrieren lassen, an jenem Nachmittag. Ich bekam keine Luft mehr.
    Frank redete noch immer. Ich hörte ihn gehen, im Raum hin und her tigern, schnelle Schritte. »Der Papierkram für so was dauert Monate. Danny-Boy muss das praktisch an dem Tag angeleiert haben, als er die Schlüssel bekam. Ich weiß, du magst diese Leute, Cassie, aber du kannst mir nicht erzählen, dass sie nicht verdammt seltsam sind. Das Haus ist locker ein paar Millionen wert. Was zum Teufel denkt er sich? Dass sie alle zusammen bis ans Ende ihrer Tage da leben wie eine glückliche Hippiekommune? Weißt du was, die Frage ist nicht, was er sich denkt, die Frage ist, was zum Teufel der Kerl raucht ?«
    Er nahm es persönlich, weil er es übersehen hatte: Die ganze intensive Ermittlungsarbeit, und dann schaffen es diese bürgerlichen Studentenspießer irgendwie, ihm so etwas vorzuenthalten. »Ja«, sagte ich sehr zurückhaltend, »das ist seltsam. Sie sind seltsam, Frank. Und ja, irgendwann wird es schwierig werden, zum Beispiel, wenn einer heiraten will oder so. Aber, wie du selbst gesagt hast, sie sind jung. Sie denken noch nicht in solchen Kategorien.«
    »Nun ja, wenigstens der kleine Justin wird sobald nicht heiraten, jedenfalls nicht ohne eine größere Gesetzesänderung –«
    »Red nicht so’n Schwachsinn, Frank. Und überhaupt, wieso ist das so wichtig?« Es musste nicht bedeuten, dass es einer von den vieren gewesen war, nicht unbedingt. Die Beweislage ließ noch immer vermuten, dass Lexie von jemandem erstochen worden war, den sie außerhalb des Hauses getroffen hatte. Es bedeutete auch nicht, dass sie tatsächlich verkaufen wollte. Falls sie mit Ned eine Absprache getroffen und es sich dann anders überlegt hatte, ihm gesagt hatte, dass sie aussteigt. Falls sie die ganze Zeit nur mit ihm gespielt hatte – Hass –, ihn gereizt hatte, aus Rache, weil er versucht hatte, sich das Haus unter den Nagel zu reißen … Er war so scharf auf Whitethorn House gewesen, dass er das Andenken seines Großvaters beschmutzt hatte. Was hätte er wohl getan, wenn Lexie ihm mit einem Anteil an dem Haus vor der Nase herumgewedelt und, ehe er zugreifen konnte, einen Rückzieher gemacht hätte? Ich versuchte, nicht an den Terminkalender zu denken: an die Daten, das erste N nur wenige Tage nach dem fehlenden Kringel; die Schrift so druckvoll, dass der Stift fast durchs Papier stieß, Anzeichen dafür, dass es ihr ernst war.
    »Nun«, sagte Frank mit diesem trägen Klang in der Stimme, der verrät, dass er besonders gefährlich ist. »Wenn du mich fragst, hätten wir damit das Motiv, nach dem wir gesucht haben. Ich finde, das ist verdammt wichtig.«
    »Nein«, sagte ich prompt, vielleicht zu prompt, aber Frank sagte nichts dazu. »Absolut nicht. Wo soll denn da das Motiv sein? Falls sie alle verkaufen wollten und sie sich quergestellt hat, dann vielleicht, aber die vier würden sich lieber eigenhändig ohne Betäubung sämtliche Zähne ausreißen, als dieses Haus zu verkaufen. Was hätten sie davon gehabt, sie umzubringen?«
    »Wenn einer von ihnen stirbt, fällt sein – oder ihr – Anteil an die anderen vier. Vielleicht hat sich da jemand gedacht, ein

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