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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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musste. Hör auf, mir ein schlechtes Gewissen einzureden.«
    »– und wenn du absolut sicher bist, dann bringt es nichts, noch mehr von deiner und meiner Zeit zu vergeuden, indem du mich weiter bloß bei Laune hältst.«
    »Ich sollte dich doch bei Laune halten«, stellte ich klar. »Nur drei Tage, ohne jede Verpflichtung, blablabla.«
    Er nickte nachdenklich. »Und was anderes machst du auch nicht, du hältst mich bei Laune. Du bist glücklich und zufrieden im DHG. Du bist dir sicher.«
    Die Wahrheit ist, dass Frank – er hat ein Talent dafür – einen Nerv getroffen hatte. Vielleicht lag es an dem Wiedersehen mit ihm, an seinem Grinsen und dem flotten Rhythmus seiner Stimme, dass ich mich schlagartig zurückversetzt fühlte in die Zeit, als dieser Job mir so glänzend und toll erschien, dass ich einfach nur Anlauf nehmen und mich mitten hineinstürzen wollte. Vielleicht lag es auch an dem Frühlingsprickeln in der Luft, das an mir zupfte, vielleicht einfach nur daran, dass ich noch nie gut darin war, längere Zeit unglücklich zu sein. Aber warum auch immer, zum ersten Mal seit Monaten fühlte ich mich wieder hellwach, und plötzlich fand ich den Gedanken, am Montag wieder im DHG an meinem Schreibtisch zu sitzen – obwohl ich nicht die Absicht hatte, Frank das zu verraten –, völlig unerträglich. Ich teilte mir ein Büro mit einem Kollegen aus Kerry namens Maher, der Golfpullover trug und jeden nichtirischen Akzent für eine Quelle endloser Belustigung hielt und durch den Mund atmete, wenn er tippte, und auf einmal wusste ich nicht, ob ich auch nur eine einzige Stunde mehr in seiner Gesellschaft durchstehen könnte, ohne ihm meinen Tacker an den Kopf zu werfen.
    »Was hat das mit diesem Fall zu tun?«, fragte ich.
    Frank zuckte die Achseln, drückte seine Zigarette aus. »Ich wundere mich nur. Die Cassie Maddox, die ich kannte, wäre nicht mit einem sicheren Bürojob von neun bis fünf zufrieden gewesen, den sie im Schlaf erledigen kann. Das ist alles.«
    Plötzlich verspürte ich den heftigen Wunsch, Frank aus meiner Wohnung zu haben. Sie kam mir zu klein vor, übervoll und gefährlich. »Tja«, sagte ich, nahm die Weingläser und brachte sie zur Spüle. »Lange nicht gesehen.«
    »Cassie«, sagte Frank hinter mir mit seiner sanftesten Stimme. »Was ist denn passiert?«
    »Ich habe in Jesus Christus meinen persönlichen Retter und Heiland gefunden«, sagte ich und knallte die Gläser in die Spüle, »und er hält nichts davon, mit anderen Menschen Psychospielchen zu treiben. Ich hatte eine Gehirntransplantation, ich hatte Rinderwahnsinn, ich bin niedergestochen worden, und ich bin älter geworden, und ich bin zu Verstand gekommen, du kannst es nennen, wie du willst, ich weiß nicht, was passiert ist, Frank. Ich weiß nur, dass ich mir zur Abwechslung mal ein bisschen Ruhe und Frieden im Leben wünsche, und dieser beschissene Fall und deine beschissene Idee werden mir das aller Wahrscheinlichkeit nicht geben. Okay?«
    »He, in Ordnung«, sagte Frank so gleichmütig, dass ich mir wie ein Idiot vorkam. »Es ist deine Entscheidung. Aber wenn ich verspreche, nicht wieder von dem Fall anzufangen, kann ich dann noch ein Glas Wein haben?«
    Meine Hände zitterten. Ich drehte den Wasserhahn weit auf und antwortete nicht.
    »Wir können ein bisschen quatschen. Wie du gesagt hast, wir haben uns lange nicht gesehen. Wir meckern übers Wetter, ich zeig dir ein paar Fotos von meinem Kind, und du kannst mir alles über deinen neuen Freund erzählen. Was ist denn aus dem Typen geworden, den du davor hattest, diesem Anwalt? Ich fand ihn ja immer ein bisschen spießig für dich.«
    Aidan war mit meiner Undercoverarbeit nicht klargekommen. Er machte Schluss mit mir, weil ich immer wieder Verabredungen absagte, ohne ihm zu erklären, warum, und ohne ihm zu sagen, was ich den lieben langen Tag so machte. Er meinte, mein Job sei mir wichtiger als er. Ich spülte die Gläser aus und stellte sie aufs Abtropfgestell.
    »Es sei denn, du willst lieber allein sein, um gründlich drüber nachzudenken«, fügte Frank fürsorglich hinzu. »Kann ich verstehen. Ist schließlich eine wichtige Entscheidung.«
    Ich konnte nicht anders: Nach einer Sekunde lachte ich los. Frank kann ein richtiges Schlitzohr sein, wenn er will. Wenn ich ihn jetzt vor die Tür setzte, wäre das wie ein Eingeständnis, dass ich über seine hirnrissige Idee nachdachte. »Okay«, sagte ich. »Schön. Trink so viel Wein, wie du möchtest. Aber wenn du den Fall noch

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