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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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ein einziges Mal erwähnst, verdreh ich dir den Arm, bis er taub ist. Klar?«
    »Wunderbar«, sagte Frank fröhlich. »Für so was muss ich normalerweise bezahlen.«
    »Für dich mach ich es jederzeit gratis.« Ich warf ihm die Gläser nacheinander zu. Er trocknete sie an seinem Hemd ab und griff nach der Weinflasche.
    »Also«, sagte er. »Wie ist der gute Sammy denn so in der Kiste?«
    Wir leerten die erste Flasche und öffneten die zweite. Frank erzählte mir den Klatsch und Tratsch der Undercoverabteilung, Sachen, die andere Dezernate nie zu hören kriegen. Ich wusste genau, was er damit bezweckte, aber es tat trotzdem gut, die Namen wiederzuhören, den Jargon, die Insiderwitze und die schnellen, verkürzten professionellen Codes. Wir spielten Weißt-du-noch: zum Beispiel, als ich auf einer Party war und Frank mir eine Info zukommen lassen musste, also schickte er einen Undercoverkollegen, der den abservierten Lover spielte und unter dem Fenster den Stanley Kowalski mimte (»Lexiiiiiie!«), bis ich rauskam. Oder als wir uns auf einer Bank am Merrion Square getroffen hatten, um Infos auszutauschen, und ich jemanden vom College in unsere Richtung kommen sah, da beschimpfte ich ihn aus vollem Halse als alten Perverso und marschierte davon. Mir wurde klar, dass ich es allen Einwänden zum Trotz schön fand, Frank bei mir zu haben. Früher hatte ich ständig Besuch gehabt – Freunde, mein alter Polizeipartner, sie lümmelten sich auf dem Sofa und blieben viel zu lange, Musik im Hintergrund und alle ein bisschen beschwipst –, aber es war lange her, seit jemand außer Sam in meiner Wohnung gewesen war, noch länger, seit ich so gelacht hatte wie jetzt, und es tat gut.
    »Weißt du«, sagte Frank wesentlich später versonnen und blinzelte in sein Glas, »du hast noch immer nicht nein gesagt.«
    Ich hatte nicht mehr die Energie, sauer zu werden. »Hab ich irgendwas gesagt, was sich auch nur im Entferntesten wie ja anhört?«, wollte ich wissen.
    Er schnippte mit den Fingern. »Mensch, ich hab eine Idee. Morgen Abend findet eine Fallbesprechung statt. Wie wär’s, wenn du auch kommst? Das könnte dir bei der Entscheidung helfen, ob du mitmachen willst.«
    Und zack, da war er: der Haken mitten zwischen den Ködern, das eigentliche Ziel hinter den Schokokeksen und Infos und der Sorge um mein emotionales Wohl. »Verdammt, Frank«, sagte ich. »Merkst du eigentlich, wie durchschaubar du bist?«
    Frank grinste, nicht im Mindesten beschämt. »Ein Versuch kann nicht schaden. Im Ernst, du solltest kommen. Die Fahnder fangen erst Montagmorgen an, es sind also im Grunde nur ich und Sam da und quatschen über den Stand der Dinge. Bist du nicht neugierig?«
    Natürlich war ich das. Franks sämtliche Informationen hatten mir nicht verraten, was ich wirklich wissen wollte: wie die Frau gewesen war. Ich lehnte den Kopf gegen den Futon und zündete mir noch eine Zigarette an. »Glaubst du ernsthaft, wir könnten das durchziehen?«, fragte ich.
    Frank dachte darüber nach. Er goss sich noch ein Glas Wein ein und schwenkte mit der Flasche in meine Richtung. Ich schüttelte den Kopf. »Unter normalen Umständen«, sagte er schließlich und setzte sich auf dem Sofa zurück, »würde ich sagen, vermutlich nicht. Aber das hier sind keine normalen Umstände, und außer dem offensichtlichen haben wir noch ein paar andere Vorteile. Erstens, die Frau hat praktisch nur drei Jahre existiert. Du müsstest dich also nicht mit einer ganzen Lebensgeschichte rumschlagen. Du musst weder Eltern noch Geschwister überzeugen, du wirst keiner alten Freundin aus Kindertagen über den Weg laufen, kein Mensch wird dich fragen, ob du dich an deine erste Schulparty erinnerst. Außerdem war ihr Lebensradius in diesen drei Jahren anscheinend ziemlich überschaubar: Sie war privat mit einer kleinen Gruppe von Leuten zusammen, sie hat an einer kleinen Fakultät studiert, hatte einen einzigen Job. Du musst dich nicht in einem großen Kreis von Angehörigen und Freunden und Kollegen bewegen.«
    »Sie wollte in englischer Literatur promovieren«, gab ich zu bedenken. »Ich hab keinen Schimmer von englischer Literatur, Frank. Schön, ich hatte eine Eins im Abschlusszeugnis, aber das war’s. Ich beherrsche den Fachjargon nicht.«
    Frank zuckte die Achseln. »Lexie auch nicht, soweit wir wissen, und sie hat es hingekriegt. Wenn sie das kann, kannst du es auch. Eigentlich haben wir da schon wieder Glück: Sie hätte Pharmazie studieren können oder Maschinenbau. Und

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