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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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klarzukommen. Ich weiß nicht, ob er von Geburt an so war oder ob er als Baby fallen gelassen wurde und auf dem Kopf gelandet ist oder was, aber er ist einfach nicht imstande, ein normales soziales Leben zu führen.«
    »Mit Daniel ist alles in Ordnung«, sagte Abby kalt, feine Silben wie Eissplitter. »Alles.«
    »Nein, Abby. Ich mag ihn – ja, ehrlich, ich mag ihn noch immer –, aber es war nie alles in Ordnung mit ihm. Nie. Das musst du doch wissen.«
    »Er hat recht«, sagte Justin sanft. »Nie. Ich hab dir das nie erzählt, aber damals, als wir uns kennenlernten, im ersten Semester –«
    »Halt die Klappe«, fauchte Abby und drehte sich jäh zu ihm um. »Sei bloß still. Glaubst du, du bist anders? Wenn Daniel verkorkst ist, dann du doch genauso, und du, Rafe –«
    »Nein«, sagte Rafe. Er blickte auf seinen Finger, der Muster in den Kondensbeschlag an seinem Glas malte. »Genau das will ich dir doch gerade klarmachen. Wir vier hier – wenn wir wollen, können wir uns mit anderen Leuten unterhalten. Ich hab neulich Abend eine Frau abgeschleppt. In deinen Tutorenkursen lieben dich alle. Justin flirtet mit dem blonden Typen, der in der Bibliothek arbeitet – doch, Justin, tust du, ich hab’s gesehen, Lexie hat sich mit den Leuten in diesem furchtbaren Café bestens amüsiert. Wir finden Kontakt zur Welt da draußen, wenn wir uns Mühe geben. Aber Daniel … Es gibt nur vier Leute auf diesem Planeten, die ihn nicht für einen ausgemachten Freak halten, und alle vier befinden sich in diesem Raum. Wir wären klargekommen ohne ihn, irgendwie, aber er wäre nicht ohne uns klargekommen. Ohne uns wäre Daniel einsamer als Gott.«
    »Und?«, fragte Abby nach einer lange Sekunde. »Was willst du damit sagen?«
    »Dass das der Grund ist«, erwiderte Rafe, »warum er uns an dem Haus beteiligt hat. Nicht um uns ein sonniges Leben zu bescheren. Um Gesellschaft zu haben, hier in seinem privaten Universum. Um uns zu behalten, für immer.«
    »Du«, sagte Abby. Sie rang um Atem. »Du bist so ein mieser kleingeistiger Mistkerl. Woher nimmst du bloß die Dreistigkeit –«
    »Es ging ihm nie darum, uns zu beschützen, Abby. Niemals. Es ging ihm immer nur um seine eigene kleine Welt. Sag mir eins: Warum bist du heute Morgen in Daniels Wagen mit zur Polizei gefahren? Warum wolltest du ihn nicht allein mit Lexie fahren lassen?«
    »Ich wollte nicht mit dir zusammen fahren. So wie du dich in letzter Zeit aufführst, find ich dich nur noch zum Kotzen –«
    »Unsinn. Was glaubst du, was hätte er mit Lexie gemacht, wenn sie auch nur leise angedeutet hätte, sie könnte nach wie vor verkaufen oder mit den Bullen reden? Du sagst zwar andauernd, ich hätte ihr jederzeit alles erzählen können, aber was hätte Daniel wohl mit mir gemacht, wenn er gedacht hätte, ich würde aus der Reihe tanzen? Er hatte einen Plan, Abby. Er hat gesagt, er hätte einen Plan, um alle Eventualitäten abzudecken. Was glaubst du wohl, was das für ein Plan war? «
    Justin schnappte nach Luft, ein erschrockener, kindlicher Laut. Das Licht im Raum hatte sich verändert, die Luft hatte sich verlagert, der Druck verschoben, und all die kleinen Strudel sammelten sich und wirbelten um einen gewaltigen zentralen Punkt.
    Daniel füllte den Türrahmen aus, groß und reglos, die Hände in den Taschen seines langen dunklen Mantels. »Alles, was ich je wollte«, sagte er leise, »war hier in diesem Haus.«

24
    »Daniel«, sagte Abby, und ich sah, dass sich ihr ganzer Körper vor Erleichterung entspannte. »Gott sei Dank.«
    Rafe lehnte sich langsam auf dem Sofa zurück. »Super Auftritt«, sagte er kühl. »Wie lange lauschst du schon an der Tür?«
    Daniel rührte sich nicht. »Was habt ihr ihr erzählt?«
    »Sie hat sich sowieso erinnert«, sagte Justin. Seine Stimme bebte. »Hast du das nicht gehört? Bei der Polizei? Sie wollte die Cops anrufen, wenn wir ihr nicht den Rest erzählen und –«
    »Aha«, sagte Daniel. Seine Augen glitten zu mir, ein kurzes, ausdrucksloses Flackern, und dann wieder weg. »Hätte ich mir denken können. Und wie viel habt ihr erzählt?«
    »Sie war außer sich, Daniel«, sagte Abby. »Ihr sind wieder ein paar Bruchstücke eingefallen, und das hat ihr zu schaffen gemacht, sie musste es einfach erfahren. Wir haben ihr erzählt, was passiert ist. Nicht, wer … du weißt schon. Nicht, wer es war. Aber den ganzen Rest.«
    »Die Unterhaltung war ungemein lehrreich«, sagte Rafe. »In jeder Beziehung.«
    Daniel reagierte nur mit einem

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