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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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ich musste mich spät in der Nacht zu ihm hochschleichen, als hätten wir eine Affäre oder so, weil er höllisch aufgepasst hat, dass ich ihn nicht allein erwische. Jedenfalls, ich hab ihn gefragt, was zum Teufel denn eigentlich los sei. Und wisst ihr, was er gesagt hat? Er hat gesagt: ›Wir müssen uns damit abfinden, dass die Sache vielleicht noch längst nicht ausgestanden ist. Ich denke, ich habe einen Plan, der alle Eventualitäten abdecken müsste, aber ein paar Details sind noch unklar. Versuch, dir fürs Erste keine Sorgen zu machen; könnte gut sein, dass es gar nicht so weit kommt.‹ Was glaubt ihr, hat er damit gemeint?«
    »Da ich keine Gedanken lesen kann«, sagte Abby knapp, »hab ich keinen Schimmer. Ich schätze, er wollte dich beruhigen.«
    Ein dunkler Feldweg und ein winziges Klicken und der Ton in Daniels Stimme: konzentriert, versunken, völlig ruhig. Ich spürte, wie sich mir die Nackenhaare sträubten. Es war mir niemals eingefallen, nicht ein einziges Mal, dass der Revolver möglicherweise nicht auf Naylor gezielt hatte.
    Rafe schnaubte. »Ach, hör doch auf. Daniel hat sich einen Scheiß drum geschert, wie einer von uns sich gefühlt hat – einschließlich Lexie. Ihn hat doch nur interessiert, ob sie sich an irgendwas erinnern konnte und was sie als Nächstes tun würde. Und dabei ist er nicht mal dezent vorgegangen, er hat sie unverfroren ausgequetscht, bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Weißt du noch, welche Strecke du an dem Abend gegangen bist, nimmst du die Jacke oder lieber nicht, ach Lexie, willst du drüber reden … Ich fand’s zum Kotzen.«
    »Er wollte dich schützen , Rafe. Uns.«
    »Ich brauch keinen Beschützer, vielen Dank. Ich bin kein Kind mehr. Und ich brauch weiß Gott keinen Beschützer namens Daniel .«
    »Na, schön für dich«, sagte Abby. »Gratuliere, großer Mann. Egal ob du meinst, einen Beschützer zu brauchen oder nicht, er hat jedenfalls nur sein Bestes getan. Wenn dir das nicht reicht –«
    Rafe zuckte mit einer Schulter. »Mag sein, dass er das getan hat. Wie gesagt, ich weiß es nicht. Aber falls ja, dann ist sein Bestes ziemlich bescheiden für so einen cleveren Typen. Diese letzten paar Wochen waren die Hölle, Abby, die reinste Hölle, und das hätte nicht so sein müssen. Wenn Daniel nur auf uns gehört hätte, statt sein Bestes zu tun … Wir wollten dir alles erzählen«, sagte er und drehte sich zu mir um. »Wir alle drei. Als wir gehört haben, dass du nach Hause kommst.«
    »Ja, Lexie, das stimmt«, sagte Justin und beugte sich über die Armlehne seines Sessels zu mir. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie oft ich fast … mein Gott. Ich hab gedacht, ich explodiere oder löse mich auf oder so, wenn ich es dir nicht erzähle.«
    »Aber Daniel«, sagte Rafe, »war dagegen. Und du siehst ja, was das gebracht hat, was jede seiner Ideen gebracht hat. Was er uns für einen Schlamassel eingebrockt hat.« Seine Hand flog hoch, und die Bewegung umfasste uns, den ganzen Raum, hell und verzweifelt und in Auflösung begriffen. »Es hätte nie so weit kommen müssen. Wir hätten einen Krankenwagen rufen können, wir hätten dir gleich am Anfang reinen Wein einschenken können –«
    »Nein«, sagte Abby. »Nein. Du hättest einen Krankenwagen rufen können. Du hättest Lexie reinen Wein einschenken können. Oder ich oder Justin. Untersteh dich, Daniel an allem die Schuld zu geben. Du bist ein erwachsener Mann, Rafe. Niemand hat dir eine Knarre an den Kopf gedrückt und dich gezwungen, den Mund zu halten. Das hast du ganz allein gemacht.«
    »Kann sein. Aber ich hab nichts unternommen, weil Daniel es so wollte, genau wie du. Du und ich, wie lange waren wir in der Nacht hier allein? Eine Stunde? Mehr? Und die ganze Zeit hast du davon geredet, dass du unbedingt Hilfe holen wolltest. Aber als ich dann gesagt hab, ja, okay, machen wir’s, hast du gesagt, nein. Daniel hat gesagt, wir sollen abwarten. Daniel hat einen Plan. Daniel regelt das schon.«
    »Weil ich Vertrauen zu ihm habe. Das bin ich ihm schuldig, wenigstens das, und ihr auch. Das hier – alles, was wir haben – verdanken wir Daniel. Wenn er nicht wäre, säße ich jetzt allein in meinem gruseligen Kellerzimmer. Vielleicht ist dir das alles hier nicht so wichtig –«
    Rafe lachte, ein lauter, harter, erschreckender Klang. »Dieses verfluchte Haus«, sagte er. »Bei der leisesten Andeutung, dein toller Daniel könnte vielleicht nicht unfehlbar sein, kommst du uns jedes Mal mit dem Haus. Ich

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