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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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sich mit einer Hand auf dem Boden ab und stürmte weiter. Ich sprang vor ihn und packte sein Handgelenk, doch er schüttelte mich mit einem kräftigen Armschwung ab. Ich rutschte auf verschüttetem Wodka aus und schlug hart auf den Boden. Justin sprang aus dem Sessel hoch, die Hände ausgestreckt, um Rafe abzuwehren, aber Rafe krachte mit voller Wucht in ihn hinein, und sie fielen beide zurück in den Sessel, der rückwärtsschlidderte. Justin stieß ein entsetztes Stöhnen aus, Rafe war über ihm, versuchte, Halt zu finden. Abby packte mit einer Hand sein Haar und mit der anderen seinen Hemdkragen und versuchte, ihn herunterzuziehen. Rafe schrie und wuchtete sie weg. Er hatte seine Faust nach hinten gehoben, um Justin ins Gesicht zu schlagen, ich rappelte mich vom Boden hoch, und irgendwie hielt Abby auf einmal eine Flasche in der Hand.
    Dann war ich plötzlich auf den Beinen, Rafe war rückwärts von Justin heruntergesprungen, und Abby stand gegen die Wand gepresst, als wären wir von einer Bombenexplosion auseinandergesprengt worden. Das Haus war in dumpfer Stille erstarrt, das einzige Geräusch war unser Atem, schweres, schnelles Keuchen.
    »Na bitte«, sagte Daniel. »Das ist schon besser.«
    Er war vorgetreten, ins Wohnzimmer hinein. In der Decke über ihm klaffte ein dunkler Riss, Putz rieselte mit einem leichten trippelnden Geräusch auf die Bodendielen. Er hielt den alten Webley-Revolver in beiden Händen, mühelos, wie jemand, der damit umzugehen wusste. Er hatte ihn auf mich gerichtet.
    »Lass das Ding fallen, sofort «, sagte ich. Meine Stimme war so laut, dass Justin ein kurzes wildes Wimmern ausstieß.
    Daniel blickte mir in die Augen, und er zuckte die Achseln, eine Braue hob sich wehmütig. Er wirkte unbeschwerter und lockerer, als ich ihn je erlebt hatte, fast erleichtert. Wir wussten beide: Der Knall war durchs Mikro direkt zu Frank und Sam gesaust, in fünf Minuten wäre das Haus von Cops umstellt, mit Schusswaffen, gegen die sich Onkel Simons maroder Revolver wie ein Kinderspielzeug ausnahm. Es war nichts mehr da, was es zu bewahren galt. Daniels Haare hingen ihm in die Augen, und ich schwöre, dass er lächelte.
    »Lexie?«, sagte Justin, ein hoher, ungläubiger Hauch. Ich folgte seinem Blick, seitlich an meinem Körper hinunter. Mein Pullover war hochgeschoben, so dass der Verband und der Hüfthalter zu sehen waren, und ich hielt meinen Revolver in den Händen. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn gezogen zu haben.
    »Was ist denn jetzt los?«, sagte Rafe, keuchend und mit wilden Augen. »Lexie, was machst du?«
    Abby sagte: »Daniel.«
    »Schsch«, sagte er sacht. »Ist schon gut, Abby.«
    »Wo hast du das Ding her? Lexie!«
    »Daniel, hör mir zu!«
    Sirenen, irgendwo in der Ferne, mehr als eine.
    »Die Bullen «, sagte Abby. »Daniel, die Bullen sind dir gefolgt.«
    Daniel schob sich die Haarsträhnen mit dem Handrücken aus dem Gesicht. »Ich fürchte, so einfach ist es nicht«, sagte er. »Aber, ja, sie sind auf dem Weg hierher. Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
    »Du musst das Ding verstecken«, sagte Abby. » Jetzt sofort . Du auch, Lexie. Wenn die sehen, was ihr da –«
    »Noch mal«, sagte Daniel. »So einfach ist das nicht.«
    Er stand direkt hinter Justins Sessel, dem hohen Lehnsessel. Das Möbelstück und Justin – wie versteinert, hilflos stierend, mit den Händen die Armlehnen umklammernd – schirmten ihn bis in Brusthöhe ab. Darüber hinweg zielte der Lauf des Revolvers, klein und dunkel und bösartig, direkt auf mich. Der einzige freie Schussweg, den ich hatte, war ein Kopfschuss.
    »Sie hat recht, Daniel«, sagte ich. Ich konnte nicht mal versuchen, hinter einem Sessel in Deckung zu gehen, bei all den Zivilisten im Raum. Solange er die Waffe auf mich gerichtet hielt, zielte sie nicht auf die anderen. »Leg die Waffe weg. Was meinst du wohl, wie die Sache am besten ausgeht? Wenn wir alle hier schön friedlich in den Sesseln sitzen und auf die Polizei warten, oder wenn ein Sonderkommando das Haus stürmt?«
    Justin wollte aufstehen, seine Füße scharrten matt über die Dielen. Daniel nahm eine Hand vom Revolver und stieß ihn mit Wucht wieder runter in den Sessel. »Bleib, wo du bist«, sagte er. »Dir passiert nichts. Ich hab dich hier mit reingezogen, ich hol dich auch wieder raus.«
    »Was ziehst du da bloß ab?«, wollte Rafe wissen. »Wenn du mit dem Gedanken spielst, dass wir alle zusammen in einem großen Showdown untergehen, dann bist du so was von schief–«
    »Sei

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