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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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haben gedacht, ich hätte mich gut rausgeredet, aber Daniel konnte besser pokern, als wir dachten.«
    »Fürwahr«, sagte Frank. »Und du bist sicher, das war alles? Er hatte kein Problem mit, sagen wir, deinem Musikgeschmack?«
    Er wusste es, er wusste das mit Fauré. Er konnte sich unmöglich sicher sein, aber all seine Instinkte sagten ihm, dass da etwas oberfaul war. Ich zwang mich, ihm in die Augen zu sehen, verwirrt und ein wenig kläglich. »Mir fällt sonst nichts ein.«
    Rauchkringel hingen im Sonnenlicht. »Na schön«, sagte Frank endlich. »Tja. Wie es so schön heißt, der Teufel steckt im Detail. Das mit den Zwiebeln hättest du nicht vorhersehen können – was bedeutet, du hättest es nicht verhindern können, dass du aufgeflogen bist. Richtig?«
    »Richtig«, sagte ich, und zumindest das kam mir leicht über die Lippen. »Ich hab getan, was ich konnte, Frank. Ich war Lexie Madison, so gut ich konnte.«
    »Und wenn du, nur mal angenommen, vor zwei Tagen gemerkt hättest, dass Daniel dich durchschaut hatte, hättest du dann vielleicht irgendwas tun können, wodurch die Sache ein besseres Ende genommen hätte?«
    »Nein«, sagte ich, und ich wusste, auch das war die Wahrheit. Dieser Tag hatte Jahre zuvor begonnen, in Franks Büro, bei verbranntem Kaffee und Schokokeksen. Schon als ich den Lebenslauf in mein Uniformhemd steckte und zurück zur Bushaltestelle ging, da war dieser Tag bereit und wartete auf uns alle. »Ich glaube, das war das beste Ende, das wir je haben konnten.«
    Er nickte. »Dann hast du deinen Job gemacht. Belass es dabei. Du kannst dir nicht den Mist ankreiden, den andere verzapfen.«
    Ich versuchte nicht mal, ihm zu erklären, was ich in dem Augenblick sah, das feine ausufernde Netz, durch das wir uns alle gegenseitig bis zu diesem Punkt gezogen hatten, die mannigfache Unschuld, aus der sich Schuld ergibt. Ich dachte an Daniel, der mit unbeschreiblicher Traurigkeit wie ein Brandmal im Gesicht zu mir sagt, Lexie hatte kein Konzept von Handlung und ihren Folgen, und ich spürte, wie die schlanke Klinge tiefer zwischen sie und mich glitt, uns trennte.
    »Womit ich«, sagte Frank, »zu dem Grund meines Besuches komme. Ich habe noch eine weitere offene Frage in diesem Fall, und ich habe das seltsame Gefühl, dass du sie mir vielleicht beantworten kannst.« Er fischte etwas aus seiner Tasse und blickte dann auf. »War es wirklich Daniel, der Lexie erstochen hat? Oder hat er bloß den Kopf hingehalten, aus irgendeinem bescheuerten Grund, den nur er uns verraten könnte?«
    Diese gelassenen blauen Augen, über den Couchtisch hinweg. »Du hast dasselbe gehört wie ich«, sagte ich. »Er ist der Einzige, der konkret wurde. Die anderen drei haben mir keinen Namen genannt. Sagen sie, er war es nicht?«
    »Die sagen keinen Mucks. Wir haben sie heute den ganzen Tag und fast die ganze letzte Nacht in die Mangel genommen, und bis auf: ›Ich möchte ein Glas Wasser‹ haben wir kein Wort aus ihnen rausgekriegt. Justin hat sich ordentlich die Augen ausgeheult, und Rafe hat einen Stuhl durch die Gegend geschmissen, als er erfuhr, dass er den ganzen letzten Monat eine Schlange an seiner Brust genährt hat – wir mussten ihn in Handschellen legen, bis er sich wieder beruhigt hat –, aber das war’s dann auch schon an Kommunikation. Die führen sich auf wie Kriegsgefangene.«
    Daniel, der einen Finger an die Lippen hob, dessen Augen von einem zum anderen glitten, mit einer Intensität, die ich nicht verstanden hatte, in der Situation. Selbst für diesen Punkt weit jenseits des entferntesten Horizonts seines Lebens hatte er einen Plan gehabt. Und die anderen drei taten noch immer das, was er ihnen gesagt hatte, ob aus Vertrauen in ihn oder aus Gewohnheit oder bloß weil sie sonst nichts mehr hatten, woran sie sich festhalten konnten.
    »Ich frage deshalb«, sagte Frank, »weil die Geschichten nicht ganz passen. Fast, aber nicht ganz. Daniel hat dir erzählt, er hätte zufällig ein Messer in der Hand gehabt, weil er gerade beim Spülen war, aber auf dem Tonband sagen sowohl Rafe als auch Justin, Daniel hätte bei dem Kampf mit Lexie beide Hände benutzt. Bevor sie niedergestochen wurde.«
    »Vielleicht bringen sie was durcheinander«, sagte ich. »Es ging sehr schnell. Du weißt ja selbst, wie viel Zeugenaussagen wert sind. Vielleicht hat Daniel das auch runtergespielt, als hätte er zufällig das Messer in der Hand gehabt, wo er es in Wirklichkeit in der Absicht genommen hat, Lexie niederzustechen.

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