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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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können, wird er nicht mehr da sein, und das meinetwegen. Ich hatte die Aufgabe, einen Mörder zu schnappen, ich hab diese Arbeit jahrelang mit Herz und Seele gemacht, und jetzt bin ich –« Ich verstummte, weil meine Stimme bebte.
    »Weißt du was?«, sagte Frank nach einem Augenblick. »Du hast die schlechte Angewohnheit, dich für den Mist, den andere Leute um dich herum verzapfen, zu sehr verantwortlich zu fühlen.« Er kam mit seiner Tasse zum Sofa und ließ sich darauffallen, die Beine weit gespreizt. »Daniel March war kein Idiot. Er wusste genau, was er tat, und er hat dich absichtlich in eine Position gebracht, in der du absolut keine andere Wahl hattest, als ihn auszuschalten. Das war kein Totschlag, Cassie. Das war nicht mal Notwehr, das war indirekter Selbstmord: Er wollte sich von dir erschießen lassen.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Ich weiß das.«
    »Er wusste, dass es vorbei war, und er wollte keinesfalls in den Knast, was ich verstehen kann. Oder kannst du dir etwa vorstellen, dass er mit den Jungs im Zellenblock Freundschaft geschlossen hätte? Also hat er sich für einen Ausweg entschieden und hat ihn genommen. Eins muss ich dem Burschen lassen: Mumm hatte er. Ich hab ihn unterschätzt.«
    »Frank«, sagte ich. »Hast du schon mal jemanden getötet?«
    Er griff nach meiner Zigarettenpackung und fixierte die Flamme, als er sich mit einer Hand eine Zigarette anzündete. »Du hast bei dem Schusswechsel alles richtig gemacht«, sagte er, nachdem er sein Feuerzeug weggesteckt hatte. »Es ist passiert, es war unschön, in ein paar Wochen ist alles ausgestanden. Basta.«
    Ich antwortete nicht. Frank blies eine Rauchfahne an die Decke. »Cassie, du hast den Fall gelöst. Wenn du dabei jemanden erschießen musstest, dann von mir aus Daniel. Ich konnte das kleine Arschloch nie leiden.«
    Ich war nicht in der Stimmung, meine Wut zu zügeln, nicht bei ihm. »Ja, Frank, das hab ich gemerkt. Das hat jeder gemerkt, der auch nur ein bisschen was mit dem Fall zu tun hatte. Und weißt du, warum du ihn nicht leiden konntest? Weil er genauso war wie du.«
    »Sieh an, sieh an«, sagte Frank. Ein belustigter Zug umspielte seinen Mund, aber seine Augen waren eisblau und starr, und ich konnte nicht sagen, ob er wütend war oder nicht. »Da hätte ich doch fast vergessen, dass du mal Psychologie studiert hast.«
    »Haargenau wie du war er, Frank.«
    »Schwachsinn. Der Typ war verkorkst, Cassie. Weißt du noch, was du gesagt hast, in deinem Täterprofil? Kriminelle Erfahrungen. Erinnerst du dich?«
    »Was, Frank«, sagte ich. Ich merkte, dass ich die Füße unter mir hervorgezogen und fest auf dem Boden gestemmt hatte. »Was hast du bei Daniel gefunden?«
    Frank schüttelte den Kopf, ein kurzes uneindeutiges Zucken über seiner Zigarette. »Ich musste gar nichts finden. Ich weiß, wenn jemand falsch riecht, und du weißt das auch. Es gibt eine Grenze, Cassie. Du und ich, wir leben auf einer Seite von ihr. Selbst wenn wir Mist bauen und auf die andere Seite überwechseln, hindert diese Grenze uns daran, dass wir uns verirren. Daniel hatte diese Grenze nicht.«
    Er beugte sich über den Couchtisch, um die Asche abzuklopfen. »Es gibt eine Grenze«, sagte er. »Vergiss nie, dass es eine Grenze gibt.«
    Langes Schweigen trat ein. Das Fenster wurde allmählich dunkler. Ich dachte an Abby und Rafe und Justin, fragte mich, wo sie wohl die Nacht verbringen würden, ob John Naylor im Mondlicht ausgestreckt in den Ruinen von Whitethorn House schlafen würde, für eine Nacht der König über all unsere Trümmer. Ich wusste, was Frank sagen würde: Nicht dein Problem, nicht mehr .
    »Was mich interessieren würde«, sagte Frank nach einer Weile, und sein Tonfall hatte sich verändert, »wann hat Daniel dich durchschaut? Denn das hat er.« Ein rasches blaues Funkeln, als er zu mir aufsah. »So wie er geredet hat, bin ich mir ziemlich sicher, dass er von deinem Mikro wusste – aber das ist nicht der springende Punkt. Wir hätten ja auch Lexie verdrahten können, wenn es sie noch gegeben hätte, deshalb kann das Mikro allein ihm nicht verraten haben, dass du von der Polizei bist. Aber als Daniel gestern das Haus betrat, wusste er ganz genau, dass du eine Schusswaffe bei dir hast und dass du sie benutzen würdest.« Er setzte sich bequemer hin, einen Arm ausgestreckt auf der Sofalehne, und zog an seiner Zigarette. »Irgendeine Idee, was dich verraten hat?«
    Ich zuckte die Achseln. »Ich würde auf die Zwiebeln tippen. Ich weiß, wir

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