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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Appetit gewissermaßen zur Strecke gebracht. »Kaffee?« Ich hatte schon eine Kanne aufgesetzt. Die Ringe unter Franks Augen näherten sich dem Punkt, wo sie kleinen Kindern Angst einjagen würden.
    »Jede Menge. Es wartet allerhand Arbeit auf uns. Wird wieder eine lange Nacht, Kleines.«
    »Öfter mal was Neues«, sagte ich. »Was sagt Olivia eigentlich dazu, dass du bei mir übernachtest?«
    Es war ein Schuss ins Blaue, und die minimale Pause, die Frank einlegte, um seinen Teller wegzuschieben, verriet mir, dass meine Ahnung richtig gewesen war: Die Undercoverarbeit forderte wieder ihren Tribut. »Tut mir leid«, sagte ich. »Ich wollte nicht –«
    »Doch, wolltest du. Olivia ist vernünftig geworden und hat mich letztes Jahr abserviert. Ich kriege Holly an einem Wochenende im Monat und zwei Wochen im Sommer. Was hält dein Sammy denn davon, dass ich bei dir übernachte?«
    Seine Augen waren kühl und starr, und er klang nicht verärgert, bloß sachlich, aber die Botschaft war klar: Halt dich zurück. »Er hat kein Problem damit«, sagte ich und stand auf, um nach dem Kaffee zu sehen. »Alles für den Job.«
    »Meinst du? Am Sonntag hatte ich nicht den Eindruck, dass der Job für ihn an erster Stelle steht.«
    Ich änderte meine Meinung: Er war sauer auf mich wegen meiner Frage nach Olivia. Eine Entschuldigung würde alles nur noch schlimmer machen. Ehe mir irgendetwas Sinnvolles einfiel, was ich sagen könnte, klingelte es unten an der Haustür. Ich schaffte es, so wenig wie möglich zusammenzuzucken, stieß mir auf dem Weg zur Tür an der Sofaecke ordentlich das Schienbein à la Inspektor Clouseau und bekam gerade noch Franks scharfen, neugierigen Blick mit.
    Es war Sam. »Und da hast du die Antwort«, sagte Frank grinsend und stemmte sich vom Fußboden auf die Beine. »Sein Vertrauen zu dir ist ungebrochen, aber mich möchte er im Auge behalten. Ich kümmere mich um den Kaffee, geh du ruhig knutschen.«
    Sam war erschöpft. Ich spürte es am Gewicht seines Körpers, als er mich küsste, an der Art, wie er den Atem mit einem fast erleichterten Seufzen ausströmen ließ. »Gott, tut das gut, dich zu sehen«, sagte er, und dann, als er Frank von der Küche aus winken sah: »Oh.«
    »Willkommen im Lexie-Labor«, sagte Frank fröhlich. »Kaffee? Schweinefleisch süß-sauer? Hummerchips?«
    »Ja.« Sam blinzelte. »Ich meine, nein. Bloß Kaffee, danke. Ich bleibe nicht lange, wenn ihr arbeiten müsst. Ich wollte bloß … Stör ich?«
    »Nein, nein«, beruhigte ich ihn. »Wir haben gerade gegessen. Hast du wirklich keinen Hunger?«
    »Wirklich nicht«, sagte Sam, warf seine Tasche auf den Boden und kämpfte sich aus dem Mantel. »Hast du einen Moment Zeit? Wenn ihr wirklich noch nicht angefangen habt.«
    Er richtete die Frage an mich, aber Frank sagte überschwänglich: »Ja klar. Setzen Sie sich, setzen Sie sich«, und winkte ihn zum Futon. »Milch? Zucker?«
    »Keine Milch, zwei Stück Zucker«, sagte Sam und ließ sich auf den Futon fallen. »Danke.« Ich war mir ziemlich sicher, dass er ausgehungert war, dass er nichts anrühren würde, was Frank gekauft hatte, dass die Tasche, die er mitgebracht hatte, sämtliche Zutaten für etwas wesentlich Feineres als Zitronenhähnchen enthielt und dass ich, wenn ich bloß meine Hände auf seine Schultern legen könnte, die Anspannung in höchstens fünf Minuten wegmassiert hätte. Undercover zu gehen kam mir langsam wie die leichtere Übung vor.
    Ich setzte mich neben Sam, so nah es ging, ohne ihn zu berühren. »Wie läuft’s?«, fragte ich.
    Er drückte kurz meine Hand, langte dann nach seinem Mantel, der über der Rückenlehne des Futons hing, und fischte sein Notizbuch heraus. »Tja, ganz gut, glaub ich. Sind überwiegend noch beim Ausschließen. Richard Doyle, der Mann, der die Tote gefunden hat, sein Alibi ist wasserdicht. Von denen in den DHG-Akten, die du markiert hast, kommt auch keiner in Frage. Wir arbeiten noch den Rest durch und deine Mordfälle, aber bisher null.« Die Vorstellung, wie die Kollegen im Morddezernat meine Akten durchkämmten, während ihnen Gerüchte durch den Kopf schwirrten und das Opfer mein Gesicht trug, löste bei mir ein unangenehmes kleines Zucken zwischen den Schulterblättern aus. »Sieht nicht so aus, als wäre sie je im Internet gewesen – keine Internet-Aktivitäten unter ihrem Log-in auf den Uni-Computern, keine MySpace-Seite oder irgendwas in der Art, die E-Mail-Adresse, die sie am Trinity bekommen hat, ist kein einziges Mal

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