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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Zigaretten reichte, noch fast bevor sie danach suchte, Daniel, der sich mit ausgestreckten Händen umdrehte, um den Steakteller genau in der Sekunde entgegenzunehmen, wenn Justin damit durch die Tür hereinkam, Sätze, die sie sich gegenseitig zuwarfen wie Spielkarten ohne auch nur die geringste Verzögerung. Rob und ich waren so gewesen: nahtlos.
    Mein Hauptgefühl war, dass ich geliefert war. Diese vier hatten so enge Harmonien wie der eingespielteste A-capella-Chor der Welt, und ich musste bei der Jamsession meinen Einsatz finden, ohne einen einzigen Takt zu verpassen. Ein wenig Spielraum verschafften mir mein geschwächter Zustand und die Medikamente und das Trauma überhaupt – im Augenblick waren sie einfach froh, dass ich zu Hause war und redete, was ich genau sagte, war nebensächlich –, aber das würde auf Dauer nicht reichen, und niemand hatte mir irgendwas von einem »Kopfdings« erzählt. So zuversichtlich Frank auch gewesen war, ich war mir ziemlich sicher, dass im SOKO-Raum eine Wette lief – hinter Sams Rücken, nicht unbedingt hinter Franks –, wie lange es dauern würde, bis ich in einem spektakulären Feuerball unterging, und dass die meisten auf unter drei Tage gesetzt hatten. Ich nahm es ihnen nicht übel. Ich hätte mitwetten sollen: einen Zehner auf vierundzwanzig Stunden.
    »Ich will hören, was es Neues gibt«, sagte ich. »Was war so los? Hat jemand nach mir gefragt? Habe ich Genesungskarten gekriegt?«
    »Du hast scheußliche Blumen gekriegt«, sagte Rafe, »von den Anglisten. So riesige mutierte Gänseblümchen, schaurig künstliche Farben. Sie sind verwelkt, Gott sei Dank.«
    »Vier-Titten-Brenda hat versucht, Rafe zu trösten«, sagte Abby mit einem schiefen Grinsen. »In seiner Stunde der Not.«
    »Oh Gott«, sagte Rafe entsetzt, ließ sein Besteck fallen und schlug die Hände vors Gesicht. Justin kicherte. »Hat sie wirklich. Sie und ihr Atombusen haben mich im Kopierraum abgefangen und mich gefragt, wie ich mich fühle.«
    Das musste Brenda Grealey sein. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie Rafes Typ war. Auch ich lachte – sie gaben sich alle Mühe, für gute Stimmung zu sorgen, und Brenda schien ohnehin eine ziemliche Tussi zu sein. »Ich glaube, er hat es genossen, tief im Innern«, sagte Justin sachlich. »Als er wieder rauskam, hat er nach billigem Parfüm gerochen.«
    »Ich wär fast erstickt. Sie hat mich gegen den Kopierer gedrückt –«
    »Irgendwelche Fummelmusik im Hintergrund?«, fragte ich. Es war schwach, aber ich tat, was ich konnte, und ich nahm Abbys rasches, schiefes Lächeln wahr, den erleichterten Ausdruck, der über Justins Gesicht huschte.
    »Was zum Teufel hast du dir bloß im Krankenhaus in der Glotze angeguckt?«, wollte Daniel wissen.
    »– und sie hat auf mich draufgeatmet«, sagte Rafe. »Feucht. Ich hatte das Gefühl, ein Walross, das in Lufterfrischer gebadet hat, will mir an die Wäsche.«
    »Das Innere deines Kopfes ist ein schrecklicher Ort«, sagte Justin.
    »Sie wollte mich zum Bier einladen, um mal über alles zu reden . Sie meinte, ich müsste mich öffnen. Was heißt das überhaupt?«
    »Hört sich an, als wäre sie es, die sich mal öffnen wollte«, sagte Abby. »Sozusagen.« Rafe gab ein Würgegeräusch von sich.
    »Du bist auch zum Kotzen«, sagte Justin.
    »Gott sei Dank habt ihr ja mich«, sagte ich. Ich fühlte mich wie auf Glatteis, wenn ich etwas sagte. »Ich bin hier die Kultivierte.«
    »Na«, sagte Justin mit einem kleinen verhaltenen Lächeln zu mir. »Träum weiter. Aber wir lieben dich trotzdem. Nimm noch was von dem Steak. Du isst wie ein Vögelchen. Schmeckt's dir nicht?«
    Halleluja: Anscheinend hatten Lexie und ich den gleichen Stoffwechsel, wie wir uns auch sonst in allem ähnlich waren. »Quatsch, es schmeckt super«, sagte ich. »Aber ich hab noch nicht wieder so richtig Appetit.«
    »Ja, dann.« Justin beugte sich über den Tisch und legte mir noch ein Steak auf den Teller. »Du musst was tun, um wieder zu Kräften zu kommen.«
    »Justin«, sagte ich, »du bist und bleibst mir der Liebste.«
    Er wurde rot bis zum Haaransatz, und ehe er sich hinter seinem Glas verstecken konnte, sah ich etwas Gequältes – was, konnte ich nicht sagen – über sein Gesicht zucken. »Sei nicht albern«, sagte er. »Du hast uns gefehlt.«
    »Ihr mir auch«, sagte ich und grinste ihn keck an. »Vor allem, wenn das Krankenhausessen kam.«
    »Typisch«, sagte Rafe.
    Einen Moment lang war ich sicher, dass Justin noch etwas sagen wollte,

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