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Totengrund

Totengrund

Titel: Totengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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dass es zu Ihnen aufblickt und Sie anlächelt.«
    »Nein, das kann ich mir einfach nicht vorstellen.«
    »Aber in Jonestown haben sie es so gemacht. Sie haben ihre eigenen Kinder umgebracht, und dann haben sie sich selbst das Leben genommen. Und alles nur, weil ein sogenannter Prophet es ihnen befohlen hatte.« Cathy sah Jane an, und ihr Blick war gehetzt. Das Dämmerlicht im Wagen betonte ihre tiefen Augenhöhlen. »Jeremiah Goode hat absolute Macht über diese Leute. Wenn Sie ihm einmal verfallen sind, kann er Sie dazu überreden, all Ihren Besitz aufzugeben und der Welt den Rücken zu kehren. Er kann Sie dazu bringen, Ihre Tochter aufzugeben und Ihren eigenen Sohn auszustoßen. Er könnte Ihnen einen Giftbecher in die Hand drücken und Ihnen befehlen, ihn auszutrinken, und Sie würden es tun. Sie würden es mit einem Lächeln tun, denn nichts ist wichtiger, als es ihm recht zu machen.«
    »Ich habe Ihnen diese Frage schon einmal gestellt, und ich glaube, ich kenne die Antwort. Die Sache betrifft Sie irgendwie persönlich, habe ich recht?«
    Janes Worte, so leise und ruhig gesprochen, schienen Cathy zu treffen wie ein Schlag. Stumm und regungslos saß sie da, während ihre Zigarette langsam herunterbrannte. Abrupt drückte sie den Stummel aus und erwiderte Janes Blick. »Verdammt persönlich, das können Sie laut sagen.«
    Jane stellte keine Fragen, verkniff sich jeden Kommentar. Sie war klug genug, abzuwarten, bis Cathy von sich aus bereit war, mehr zu erzählen.
    Cathy brach den Blickkontakt ab und starrte ins Dämmerlicht hinaus. »Vor sechzehn Jahren«, begann sie, »habe ich meine beste Freundin an die Zusammenkunft verloren. Wir standen uns so nahe wie Schwestern – sogar noch näher. Katie Sheldon wohnte im Nachbarhaus; ich kannte sie, seit wir zwei Jahre alt waren. Ihr Vater war Zimmermann, und er war oft arbeitslos. Ein widerwärtiger Kerl, der seine Familie herumkommandierte wie ein kleiner Möchtegern-Diktator. Ihre Mutter war Hausfrau. So fad und farblos, dass ich mich kaum an sie erinnere. Sie waren offenbar genau die Art von Familie, die sich von der Zusammenkunft angezogen fühlt. Menschen, die keine anderen Bindungen haben, die etwas suchen, was ihrem banalen Dasein einen Sinn gibt. Und Katies Vater gefiel wohl die Vorstellung einer Religion, die ihm alle Freiheiten gab, seine Familie zu tyrannisieren. Ganz zu schweigen von den jungen Mädchen, mit denen er ins Bett gehen durfte. Vielweiberei, Armageddon, die Endzeit – all das machte er sich mit Begeisterung zu eigen. Den ganzen Bockmist, den Jeremiah verzapft. Und so zog die Familie aus unserem Viertel weg – nach Plain of Angels.
    Katie und ich gelobten, dass wir uns schreiben würden. Und ich habe mein Versprechen gehalten. Ich schrieb Briefe über Briefe und bekam nie eine Antwort. Aber ich hörte nie auf, an sie zu denken und mich zu fragen, was aus ihr geworden war. Erst Jahre später habe ich es erfahren.«
    Während Cathy tief Luft holte und sich zu fangen versuchte, blieb Jane still und wartete auf das Ende der Geschichte – ein tragisches Ende, wie sie bereits ahnte.
    »Ich machte den College-Abschluss«, fuhr Cathy fort. »Bekam eine Stelle als Sozialarbeiterin in einem Krankenhaus in Idaho Falls. Eines Tages kam ein Notfall herein – eine junge Frau hatte starke Blutungen bekommen, nachdem sie in Plain of Angels ein Kind zur Welt gebracht hatte. Es war meine Freundin Katie. Sie war erst zweiundzwanzig, als sie starb. Ihre Mutter war bei ihr, und irgendwann rutschte es ihr heraus, dass Katie zu Hause schon fünf andere Kinder hatte.« Cathys Kiefermuskeln spannten sich an. »Sie können selbst nachrechnen.«
    »Aber es wurden doch sicher die Behörden informiert.«
    »O ja, allerdings. Dafür habe ich gesorgt. Die Polizei von Idaho fuhr nach Plain of Angels und stellte Fragen. Inzwischen hatte die Zusammenkunft sich ihre Version der Geschichte schon zurechtgelegt. Nein, ich hatte mich verhört, es war ihr erstes Kind. Es gab dort keine minderjährigen Mütter. Keinen sexuellen Missbrauch von Mädchen. Es war einfach nur eine friedliche Gemeinschaft, in der jeder glücklich und gesund war, ein wahres Utopia. Die Polizei musste unverrichteter Dinge wieder abziehen.« Cathy starrte Jane an. »Es war zu spät, um meine Freundin zu retten. Aber ich dachte mir, ich könnte wenigstens den anderen helfen. All den Mädchen, die von der Zusammenkunft gefangen gehalten wurden. Und so wurde ich zur Aktivistin.
    Seit Jahren trage ich jetzt schon

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