Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totengrund

Totengrund

Titel: Totengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
Siedlung Kingdom Come hinunter.
    »Du lieber Gott«, flüsterte Cathy. »Was ist denn hier passiert?«
    Das Tal war von geschwärzten Ruinen übersät. Verkohlte Fundamente markierten die Stellen, wo einmal Häuser gestanden hatten, und die beiden Reihen bildeten ein Zeugnis der Verwüstung von merkwürdiger Symmetrie. Zwischen den Ruinen bewegte sich etwas – ein Wesen, das seelenruhig zwischen den abgebrannten Häusern umhertrabte, als ob dieses Tal jetzt ihm gehörte und es lediglich einen Kontrollgang durch sein Revier machte.
    »Ein Kojote«, sagte Cathy.
    »Sieht nicht so aus, als ob das Feuer zufällig ausgebrochen wäre«, meinte Jane. »Ich glaube, jemand war hier und hat diese Häuser abgefackelt.« Sie hielt inne, als ihr die naheliegende Antwort durch den Kopf schoss. »Julian.«
    »Warum sollte er das tun?«
    »Aus Wut auf die Zusammenkunft? Als Rache dafür, dass sie ihn ausgestoßen haben?«
    »Sie sind sehr schnell bereit, ihm die Schuld für alles zu geben, finden Sie nicht?«, sagte Cathy.
    »Er wäre nicht der erste Jugendliche, der ein Haus abfackelt.«
    »Und damit seinen einzigen Unterschlupf im Umkreis von vielen Meilen zerstört?« Cathy schnaubte aufgebracht und legte den Gang wieder ein. »Fahren wir näher ran.«
    Der Wagen rollte die Talstraße hinunter. Zwischen den Gruppen von Kiefern erhaschte Jane immer wieder einen Blick auf die Siedlung, und mit jedem Mal wurde das erschreckende Ausmaß der Zerstörung noch deutlicher. Inzwischen hatte das Geräusch ihres Motors den einsamen Kojoten aufgeschreckt, und er flüchtete in den Wald. Als sie sich der Siedlung näherten, konnte Jane dunkle Haufen ausmachen, die in einem schneebedeckten Feld nahe der Straße lagen, und dann erkannte sie, dass es sich ebenfalls um Kojoten handelte. Aber sie rührten sich nicht.
    »Mein Gott – es sieht so aus, als wäre das ganze Rudel abgeschlachtet worden.«
    »Jäger«, sagte Cathy.
    »Warum haben sie das getan?«
    »Kojoten sind bei Viehzüchtern nicht gerade beliebt.« Cathy hielt neben dem ersten niedergebrannten Haus, und sie starrten beide hinüber zu dem Feld mit den Tierkadavern. Am Waldrand stand der einsame überlebende Kojote und beobachtete sie, als ob auch er auf Antworten wartete.
    »Das ist ja merkwürdig«, murmelte Jane. »Ich kann nirgends Blut sehen. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Tiere erschossen wurden.«
    »Wie sind sie dann gestorben?«
    Jane stieg aus und wäre fast auf dem Eis ausgerutscht. Der durch das Feuer geschmolzene Schnee war blitzartig zu einer steinharten Eisfläche gefroren, die jetzt mit einer wenige Zentimeter dicken Schicht Pulverschnee überzogen war. Wohin sie sich auch wandte, überall sah sie die Spuren der Aasfresser in dieser dünnen Schneeschicht. Sie war sprachlos angesichts der Verwüstung. Hinter sich hörte sie Cathys knirschende Schritte sich entfernen, doch sie blieb neben dem Wagen stehen und starrte das Chaos aus verkohltem Holz und verbogenem Metall an, den Trümmerhaufen, in dem hier und da ein einzelner Gegenstand zu erkennen war. Ein zerbrochener Spiegel, ein verkohlter Türknauf. Ein Keramik-Spülbecken, angefüllt mit einer Mini-Schlittschuhbahn aus gefrorenem Wasser.
    Ein ganzes Dorf in Schutt und Asche gelegt.
    Der Schrei war markerschütternd, das Echo von den Bergen scharf wie Glassplitter. Jane fuhr erschrocken auf und sah Cathy am anderen Ende der abgebrannten Häuserreihe stehen. Ihr Blick war starr auf die Erde gerichtet, und sie hielt sich die Hand vor den Mund. Dann begann sie, mit ruckartigen Schritten zurückzuweichen.
    Jane lief auf sie zu. »Was haben Sie? Cathy?«
    Die andere Frau antwortete nicht. Sie starrte immer noch nach unten, wich weiter zurück. Als Jane näher kam, bemerkte sie vereinzelte Farbtupfer auf der Erde. Hier ein Stück Blau, dort ein Klecks Rosa. Stofffetzen, wie sie jetzt sah, die Ränder ausgefranst. Hinter dem letzten ausgebrannten Fundament war der Schnee tiefer und noch stärker von Tierfährten durchzogen. Die Spuren waren überall, als hätten die Kojoten hier einen wilden Tanz veranstaltet.
    »Cathy?«
    Endlich wandte die Frau sich zu ihr um; alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Sie brachte kein Wort hervor, konnte nur stumm auf die Erde zeigen, wo einer der toten Kojoten lag.
    Dann aber wurde Jane klar, dass Cathy gar nicht auf das Tier zeigte, sondern auf zwei Knochen, die wie schlanke weiße Stängel aus dem Schnee ragten. Es hätten die Überreste eines Beutetiers sein können, in Stücke

Weitere Kostenlose Bücher